Auf den Spuren verschwundener Schätze

Völklingen · Viele Gebäude, die das alte Völklingen geprägt haben, sind längst verschwunden. Wo aber ein Fotoapparat ins Leere schießt, da sieht Hans Obermann noch Schätze der Vergangenheit. Am Samstag öffnete er auch anderen die Augen.

 Hans Obermann (in der Mitte) ließ sein Wissen über das historische Völklingen aufblitzen. Foto: Jenal

Hans Obermann (in der Mitte) ließ sein Wissen über das historische Völklingen aufblitzen. Foto: Jenal

Foto: Jenal

Führungen durch Städte, deren historischer Kern erhalten blieb, sind leicht. Das alte Völklingen allerdings, beispielsweise das von 1880, von 1930 oder 1950, das Völklingen also, das im heutigen Stadtbild kaum noch zu erkennen ist, können nur wenige gut erklären. Zu ihnen gehört der ehemalige Stadtarchivar Hans Obermann, dessen Wissen über Gebäude, Geschäfte und Familien staunen lässt. Der 74-Jährige verfügt auch über ein solides, ideologiefreies Urteilsvermögen, trägt unaufgeregt vor und nimmt sich selbst nie wichtiger als die Sache.

So konnte es allenfalls ihn selbst überraschen, dass an seiner geführten Spurensuche durch das alte Völklingen am Samstag über 40 Personen teilnahmen. Die vom Verein "Initiative Bürgerstiftung Völklingen" angebotene Veranstaltung wurde erst nach 100 Minuten vom Regen beendet, aber da war die Tour durch Kirchgasse, Alte Schulstraße und Alter Brühl ohnehin abgegangen. Erwartungsgemäß war es alles andere als ein erbaulicher Spaziergang, eher ein Trauerzug zwischen Baulücken, verunstalteten Häusern und Parkflächen hindurch, bis hin ans Ufer der Saar, mit dem die Völklinger von heute weit weniger anfangen können als ihre Vorfahren. Die hatten noch eine Stadtmitte am Fluss, von der aus sie zu Fuß durch die seichte Saar nach Fürstenhausen gingen.

Ein ums andere Mal konnte Obermann nicht anders, als das "Absaufen" oder "Ausradieren" eines ehemals intakten Stadtquartiers zu beklagen, etwa beim Anblick der auf den Abriss vorbereiteten gründerzeitlichen Häuser unterhalb des ehemaligen Kaufhofes. Eines von ihnen beherbergte laut Referent vor dem ersten Weltkrieg das Privatgymnasium eines Fräulein Schrader, aus dem später die Viktoriaschule und dann das Kaschnitz-Gymnasium hervorgingen. Obermann zeigte mit dem Finger hin, wo früher die Handelsschule, die Tanzschule und die Meierei standen, wo Lebensmittel verkauft und Nähmaschinen repariert wurden. Und dann die einst blühenden Wirtschaften, ob Bürgerbräu, Becker Bräu oder gar Pigalle-Bar - da wurden bei einigen Spaziergängern Erinnerungen lebendig.

Wenn bei der ohnehin melancholischen Stadtwanderung eine Stelle noch mehr Schmerzen bereitete als andere, dann die zugeschüttete Ausgrabungsstätte der ehemaligen Martinskirche im Alten Brühl, die "Wiege Völklingens". Obermann sprach von "Verständnislosigkeit und Respektlosigkeit" gegenüber dem Gebäude - ein wenig schmeichelhaftes Urteil, das auch für das Geschichtsverständnis "der Völklinger" generell gelten mag. Er ging allerdings nicht so weit, die Fehler einzelnen Kaputtmachern zuzuschreiben. Was heute als Sünde gilt, war seinerzeit durchaus in guter Absicht als wegweisend beschlossen worden. Obermann neigt deshalb dazu, falsche Weichenstellungen ganzen Komplexen wie dem Militär, der Eisenbahn, der Industrie oder dem Auto anzulasten.

Seine Stadttour soll übrigens wiederholt werden, dann mit Mikrofon zur besseren Verständigung. Wie Vereinsvorsitzender Holger Schwartz ankündigte, werde es auch Führungen durch besonders gelungene Teile der Stadt geben.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort