Auf den Bildern kullern die Tränen

Saarbrücken · „Ich bin ein Idiot“, schreibt ein Kind unter sein Bild. Andere malen Tränen und Wut. Das Projekt KiTS des Kinderschutzbundes versucht, Familien in Trennung zu helfen. Die Anfragen werden von Jahr zu Jahr mehr. Und jetzt geht das Geld aus.

 Birgit Pohl-Jasper und Klaus Ollinger mit einem Bild, das Kinder zum Thema Scheidung gemalt haben. Foto: Oliver Dietze

Birgit Pohl-Jasper und Klaus Ollinger mit einem Bild, das Kinder zum Thema Scheidung gemalt haben. Foto: Oliver Dietze

Foto: Oliver Dietze

. "Kinder", sagt Sozialpädagogin Birgit Pohl-Jasper (61) vom Deutschen Kinderschutzbund, "können Gefühle in Bildern gut ausdrücken". Auf dem großen Blatt, das Pohl-Jasper in den Räumen in der Dudweiler Landstraße 87a ausbreitet, haben Trennungskinder Selbstporträts gemalt: Die gezeichneten Gesichter gucken traurig, oft kullern Tränen die Wangen runter, andere Male sind die Münder vor Schmerz und Wut verzerrt. Manchmal reicht das Gemalte nicht. Dann sind Wörter wie "Angst", "Wut", "Entscheidung" und kurze Sätze wie "Ich bin ein Idiot" über den Köpfen geschrieben.

Seit 2006 hat Pohl-Jasper mehr als 300 Kinder zwischen neun und 13 Jahren bei dem Projekt "Kinder in Trennung und Scheidung" (KiTS) betreut. Das Angebot von KiTS ist für die Familien kostenlos. "Die Anfrage", sagt sie, "wird von Jahr zu Jahr größer." Derzeit betreut sie zwei Gruppen mit Kindern zwischen sieben und neun Jahren und Kinder und Jugendliche zwischen neun und 13. "Die Mädchen und Jungs treffen sich einmal die Woche für 90 Minuten hier," sagt Pohl-Jasper.

Jährlich sind 200 000 Kinder in Deutschland von der Trennung ihrer Eltern betroffen. Etwa zehn Prozent der Trennungen gehen mit einem enormen Leistungsdruck der Kinder einher, so Klaus Ollinger (70), ehrenamtlicher Projektleiter beim Kinderschutzbund. Die Kinder leiden nicht nur unter der Auflösung der Familie, sondern sind "manchmal auch Opfer eines Machtspiels. Auf unseren Flyern steht deshalb als Appell: Zerreißen Sie nicht Ihr Kind!", sagt der 70-Jährige. "Häufig sind die Eltern mit sich selbst und ihrem Schmerz über die Trennung beschäftigt. Die Kinder wollen die Eltern dann nicht zusätzlich belasten und sind mit ihren Gefühlen wie Trauer, Wut oder Ohnmacht ganz allein. Noch schlimmer sind die Fälle, wo Gewalt im Spiel ist", fasst Pohl-Jasper zusammen.

Das Angebot von "KiTS" ist im Regionalverband einmalig: Nur hier werden Kinder und Jugendliche in einer Gruppenarbeit betreut. Und das hat einen großen Vorteil: "In den Gruppen merken die Kinder schnell: ,Ich bin nicht allein. Anderen geht es wie mir.' Hier im geschützten Raum können sie alles loswerden. Das hilft bei der Bewältigung der Vergangenheit, schafft aber auch Perspektiven für die Zukunft", beschreibt die Sozial-Pädagogin. Sie ist in Teilzeit - 14 Stunden die Woche - beim Kinderschutzbund beschäftigt, "obwohl ich viel mehr Stunden hier verbringe, die Arbeit immer mehr wird".

Die Kinder werden von Ärzten, Therapeuten, Gerichten, Schoolworkern, Lehrern und Beratungsstellen zu KiTS geschickt, "manch einer ist auch Selbstmelder, weil sie davon gelesen oder gehört haben", so Pohl-Jasper.

Derzeit plagen die Verantwortlichen des Kinderschutzbundes noch andere Sorgen: "Wir wissen nicht, ob wir das Projekt weiter finanzieren können", sagt Ollinger. "28 000 Euro benötigen wir bei ,KiTS' für Personal und Miete der Räumlichkeiten." Das Jugendamt des Regionalverbandes Saarbrücken unterstützte das Projekt in den vergangenen drei Jahren mit 20 000 Euro jährlich. Der Rest wurde über Spendengelder gestemmt. "Wir wissen, dass uns das Jugendamt im nächsten Jahr nur noch mit 10 000 Euro unterstützen kann", sagt Ollinger, "deshalb suchen wir Sponsoren, hoffen auf Spendengelder. Bis Mitte des kommenden Jahres ist das Projekt gesichert. Was danach passiert, wissen wir nicht."

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