Auch Fabriken können barock sein

Sulzbach/Mannheim · Saarländische Städte mit ihrer barocken Geschichte sind auch Teil der Barock-Ausstellung in den Mannheimer Reiss-Engel- horn-Museen. Die SZ stellt in ei- ner Serie die Barockperlen vor – zum Schluss Sulzbach.

 Das Salzbrunnenhaus in Sulzbach zeugt von der Historie des Ortes als Salz- und Kohlendorf. Foto: Elmar Müller

Das Salzbrunnenhaus in Sulzbach zeugt von der Historie des Ortes als Salz- und Kohlendorf. Foto: Elmar Müller

Foto: Elmar Müller

Wer sich in Sulzbach auf die Suche nach barocken Spuren begibt, stößt unweigerlich auf die Anfänge der Industrialisierung in Europa, die gerade im Saarkohlewald mit seinen schlechten Böden, dafür aber umso reicheren Bodenschätzen nachhaltige Entwicklungen in Gang setzte. Dabei verdichten sich hier gleich mehrere spannende Kapitel der Wirtschaftsgeschichte, die einen ungewöhnlichen und daher überaus interessanten Zugang zum Zeitalter des Barocks ermöglichen. So wird hier eine Ära des Umbruchs und Aufbruchs, der bahnbrechenden Entdeckungen und Erfindungen lebendig, in der auch an der Saar wagemutige Landesherren und Unternehmer sowie umtriebige Ingenieure die Grundlagen für den Aufstieg Deutschlands zu einer der führenden Industrienationen der Welt schufen.

Dass der spätere "Nationaldichter" Goethe sich im Sommer 1770 als junger Jura-Student für einige Tage im Fürstentum Nassau-Saarbrücken aufhielt, bei dieser Reise die frühindustriell geprägte Kulturlandschaft zwischen Saar und Blies kennenlernte und ihr in seinen Memoiren später ein literarisches Denkmal setzte, macht einen weiteren Reiz der Entdeckungstour durch das Sulzbachtal des 18. Jahrhunderts aus. Für den "Dichterfürsten" war diese Reise nach eigenem Bekunden "in manchem Sinne folgenreich" - wurde doch hier, wie er schrieb, "die Lust zu ökonomischen und technischen Betrachtungen, welche mich einen großen Teil meines Lebens beschäftigt haben, zuerst erregt".

Im Sulzbachtal besuchte Goethe zunächst den Brennenden Berg, wo sich durch ein im 17. Jahrhundert in Brand geratenes Kohleflöz ein seltenes Naturschauspiel bot. Auf dem Weg vom Brennenden Berg zum Sulzbacher Salzbrunnen-Ensemble gewinnt man anhand historischer Mulden noch immer einen Eindruck von der hiesigen Kohlengewinnung, bevor im 18. Jahrhundert die Fürsten von Nassau-Saarbrücken mit der Inbesitznahme der Förderstätten, dem planmäßig betriebenen Stollenabbau und der damit verbundenen Anwerbung von Bergbauspezialisten einen Grundstein für den Aufstieg des Saar-Reviers zum Montanrevier ersten Ranges legten.

Die ebenfalls im 18. Jahrhundert gegründete Mariannenthaler Glashütte im benachbarten Schnappach wiederum stand stellvertretend für jenen weiteren, das Sulzbachtal lange prägenden Industriezweig, den Goethe rückblickend als "eine der wichtigsten und wunderbarsten Werktätigkeiten des menschlichen Kunstgeschickes" beschrieb.

Die Entdeckungstour durch das barocke Sulzbach beginnt am Salzbrunnenhaus und der modellhaft rekonstruierten Salinenanlage, die die große Bedeutung des Ortes im 18. Jahrhundert als einzige Salzquelle im Fürstentum Nassau-Saarbrücken erschließen. Diese freilich endete, als die Salzquellen ab 1734 zu versiegen begannen. Den Aufstieg des Salz- und Kohlendorfes zum Industriestandort markiert indes das benachbarte, fälschlicherweise als Salzherrenhaus bezeichnete, da erst um 1750 im Barockstil errichtete Gebäude, das dem Faktor des Eisenwerks als Wohnung diente.

Dort begegnete Goethe dem Chemiker Johann Caspar Staudt, dem in Sulzbach zum vermutlich ersten Mal auf dem europäischen Festland die Eisenverhüttung mit Koksöfen gelang. In diesem Zusammenhang erwähnte der neugierige Reisende später sowohl die "zusammenhängende Ofenreihe, wo Steinkohlen abgeschwefelt und zum Gebrauch bei Eisenwerken tauglich gemacht werden sollten" als auch die den angespannten Staatsfinanzen jener Zeit geschuldete, jedoch nicht immer nachweisbare Kosten-Nutzen-Rechnung solcher technischen Experimente.

Anschließend wirkte im Salzherrenhaus Carl Philipp Vopelius, der 1786 zunächst die Leitung der Alaunhütte und später der hier gegründeten Preußisch-Blau-Fabrik übernahm, bevor diese in den Besitz der Familie Appolt überging. Aus den Anfangsjahren der legendären "Blaufabrik" hat sich bis heute das 1792 im spätbarocken Stil errichtete Herrenhaus erhalten.

Wie der Flurname "Im Hessenland" stehen die Namen Appolt und Vopelius übrigens stellvertretend für jene zahllosen Einwanderer aus aller Herren Länder, die im 17. und 18. Jahrhundert das im Dreißigjährigen Krieg weitgehend entvölkerte Land zwischen Saar und Pfalz wieder neu besiedelten. So ist die Familiengeschichte vieler Menschen im heutigen Saarland untrennbar mit jener Epoche verbunden, die als Barock in die Kunst- und Kulturgeschichte einging.

Zum Thema:

Auf einen Blick In Sulzbach werden regelmäßig Führungen zum Thema Barock mit dem Salzknecht sowie zwischen Salzbrunnen-Ensemble und Brennendem Berg die Tafel-, Kultur- und Naturerlebnistour "Goethe, Knigge, Küchenschätze” angeboten, die mit einem Essen nach regionalen Originalrezepten des 18. Jahrhunderts endet. Informationen hierzu gibt es unter Tel. (0 68 97) 50 84 10 sowie unter www.historische-salzh äuser.de. kf

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort