Arme Kinder leiden Hunger

Malstatt. Hunger in Malstatt: Jungen und Mädchen im Kindergarten- und Grundschulalter in Malstatt sind die Opfer. Und es sind so viele, dass Experten erschrecken. "Malstatt liegt mit einer Untergewichts-Quote von 9,1 Prozent der untersuchten Kinder an der Spitze bei 24 untersuchten Projekten in Deutschland

Malstatt. Hunger in Malstatt: Jungen und Mädchen im Kindergarten- und Grundschulalter in Malstatt sind die Opfer. Und es sind so viele, dass Experten erschrecken. "Malstatt liegt mit einer Untergewichts-Quote von 9,1 Prozent der untersuchten Kinder an der Spitze bei 24 untersuchten Projekten in Deutschland." Das sagt Franz Gigout, Geschäftsführer der Landesarbeitsgemeinschaft für Gesundheitsförderung im Saarland (LAGS). Gigout beruft sich auf Erkenntnisse von Mitarbeitern des Max-Rubner-Instituts (MRI), des Bundesforschungsinstituts für Ernährung und Lebensmittel. Die Ernährungsforscher vom MRI haben 487 Jungen und Mädchen untersucht. Zu dieser Gruppe gehören die Drei- und Vierjährigen aus sechs der neun Malstatter Kinderbetreuungseinrichtungen. Und dazu gehören die Erst- und Zweitklässler aus drei der sechs Malstatter Grundschulen sowie aus dem Grundschulbereich der Schule für Lernbehinderte. Das Ganze ist Teil des Projekts "Es bewegt sich was in Malstatt", eines von 24 Modellen in Deutschland, um Kinder und Erwachsene für eine gesunde Ernährung zu gewinnen und für mehr Bewegung zu begeistern. Aber letztlich sollen die Projekte über die jeweiligen Gebiete hinaus zeigen, was Krankheiten vorbeugt. Die LAGS steuert das Malstatter Projekt. Gigout sowie seine Kolleginnen Nadja Roth und Ingrid Paulus stellten der SZ die wichtigsten Zwischenergebnisse vor. Zum Malstatter Spitzenplatz bei Kindern mit Untergewicht passen Beobachtungen wie diese: Schüler, die schon hungrig zum Unterricht kommen, weil es zu Hause kein Frühstück gibt. Jungen und Mädchen, die in der Schule kein Mittagessen bekommen, weil ihre Familien sich schämen. "Kinder aus armen Familien gehen beim Mittagessen in der Schule mitunter leer aus, weil viele Eltern Angst haben, sich als Hartz-IV-Empfänger zu offenbaren. Oder sie kommen mit dem Bürokratiekram nicht zurecht", sagt Nadja Roth. Für Franz Gigout ist die Konsequenz klar: "Der Mittagstisch muss so bezuschusst werden, dass jedes Kind daran teilnehmen kann." Und er fügt hinzu: "9,1 Prozent Kinder mit Untergewicht - erschreckt hat mich das schon." Denn das ist für Gigout ein weiterer Beweis, dass eine gesunde Kinderernährung mit Hartz-IV nicht möglich ist.Dort seien 2,57 Euro am Tag für die Ernährung eines Kindes und 3,42 Euro für einen Jugendlichen vorgesehen. "Wenn man die Lebensmittel nur im Discounter kauft, reicht das Geld für Vier- bis Sechsjährige gerade aus. Für eine ausgewogene Ernährung von Jugendlichen mit 15 Jahren benötigt man bereits 4,68 Euro im Discounter und 7,44 Euro im Supermarkt. Ein Schulessen ist darin gar nicht erst berücksichtigt, da das Geld ohnehin nicht reicht", zitiert Gigout aus einer Studie des Dortmunder Forschungsinstituts für Kinderernährung. Er, die LAGS und ihre Verbündeten in Malstatt sorgen schon jetzt dafür, dass den Studien Taten folgen. Denn wenn "Es bewegt sich was in Malstatt" 2009 endet, sollen die Menschen dort die Ziele weiterleben lassen: Begeisterung für gesundes Essen. Freude an der Bewegung, die viele Krankheiten verhindert. Kampf gegen Armut, die heute Kinder hungern lässt. ole> Seite C 3: weiterer Bericht Meinung

Satt werden - ein Menschenrecht

Von SZ-Redakteur Frank Kohler Kinder-Alltag in Malstatt: Die einen lassen sich das Mittagessen schmecken. Die anderen bleiben außen vor, haben Hunger. Ihre Eltern müssten sich als Hartz-IV-Betroffene offenbaren, um ihren Kindern den Essenszuschuss zu verschaffen. Statt ganze Familien Tag für Tag ihre Armut spüren zu lassen, muss eine andere Lösung her: Der Bund hat für ein kostenloses Mittagessen in Ganztagsschulen zu sorgen. Für jeden. Und ohne Papierkram. Das ist eine moralische Pflicht. Denn nur wer genug zu essen hat, kann seine Talente entfalten. Wenn das jedem Kind möglich ist, ganz gleich, wie viel seine Eltern verdienen, profitiert die ganze Gesellschaft davon. Heute muss in dieser Gesellschaft ein Menschenrecht leider erst wieder erkämpft werden: das Recht, gesund satt zu werden.

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