Appell gegen das Vergessen und Verdrängen

Homburg. Wie sieht es wirklich aus, das Leben in einer Diktatur? Wie viel Weiß, wie viel Schwarz und wie viele Zwischentöne prägen es? Auf diese Fragen wollte Roland Jahn, der Leiter der Stasi-Unterlagen-Behörde, gestern bei seinem Besuch in Homburg Antworten geben. Dabei wertete er die Realität der früheren DDR sehr differenziert. "Ja, Freiheit musste man sich nehmen

 Roland Jahn vor einem Siebenpfeiffer-Porträt. Foto: Thorsten Wolf

Roland Jahn vor einem Siebenpfeiffer-Porträt. Foto: Thorsten Wolf

Homburg. Wie sieht es wirklich aus, das Leben in einer Diktatur? Wie viel Weiß, wie viel Schwarz und wie viele Zwischentöne prägen es? Auf diese Fragen wollte Roland Jahn, der Leiter der Stasi-Unterlagen-Behörde, gestern bei seinem Besuch in Homburg Antworten geben. Dabei wertete er die Realität der früheren DDR sehr differenziert. "Ja, Freiheit musste man sich nehmen. Aber wie sollte man das machen angesichts der Allmacht von SED und Stasi?" Im Schatten dieser Allmacht skizzierte Jahn ein Gesellschaftsbild in vielen Graustufen, erzählte von Tätern, Mitläufern und Gegnern - mit durchaus fließenden Grenzen.Als Festredner der Matinée der Homburger Siebenpfeiffer-Stiftung stellte Jahn dabei sein Leben im zunehmend offenen Widerstand gegen das SED-Regime, gipfelnd in Haft und Ausbürgerung 1983, in einen Kontext mit dem Leben der Täter. Diese müssten sich, so Jahn, ihrer eigenen Biographie stellen.

Jahns Rede gestaltete sich als Appell gegen das Vergessen und Verdrängen, als Fürsprechen für die historisch einmalige Chance, anhand der Stasi-Unterlagen das Wesen der Diktatur zu ergründen und als Mahnung, auch in der Demokratie eine Kultur des Widerstands zu pflegen. "Wenn ich in die Politik schaue, dann staune ich, was so alles durchgewunken wird. Regieren bedeutet oft, die eigene Partei auf Linie zu bringen, statt die Diskussion zu suchen. Widerspruch wird mir zu oft platt gemacht." Dabei sei es, so Jahn, vor allem das Ringen um die beste Lösung, die entscheidend sei: "Das ist das Lebensblut der Demokratie." Deswegen gelte es, vor allem bei den nachfolgenden Generationen das Demokratieverständnis zu stärken. thw

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