Lagebild Verfassungsschutz 2021 Judenhass auf dem Vormarsch: Antisemitische Straftaten im Saarland fast verdoppelt

Saarbrücken · Judenfeindliche Verschwörungserzählungen, Holocaust-Verharmlosung und einseitige „Israelkritik“ verbreiten sich in Deutschland nicht mehr nur am politischen Rand, warnt der Verfassungsschutz. Auch im Saarland wurden 2022 mehr antisemitische Straftaten verzeichnet.

Ein Fenster der Synagoge im Nauwieser Viertel in Saarbrücken. Das Fenster zeigt den Davidstern. Aufnahme: 27. Januar 2005.

Ein Fenster der Synagoge im Nauwieser Viertel in Saarbrücken. Das Fenster zeigt den Davidstern. Aufnahme: 27. Januar 2005.

Foto: BeckerBredel/bub

Die Zahl der antisemitischen Straftaten im Saarland ist von 20 im Jahr 2020 auf 38 im Jahr 2021 gestiegen. Es handele sich mit Blick auf das Festjahr 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland um einen „ganz besonders beschämenden Anstieg der Fälle antisemitisch motivierter Straftaten“, heißt es im am Freitag in Saarbrücken veröffentlichten Lagebild Verfassungsschutz 2021. Unter den 38 antisemitischen Straftaten seien 27 Volksverhetzungen, 17 Straftaten seien im Internet verübt worden.

Judenhass im Saarland: Rechtsextremistische Straftaten gehen zurück, antisemitische Delikte nehmen zu

Insgesamt hat jedoch die Zahl der rechtsextremistisch motivierten Straftaten im Vergleich zum Vorjahr um 42 auf 207 abgenommen. Propagandadelikte und Volksverhetzungen machten mit rund 88 Prozent den größten Anteil aus, allerdings habe es auch elf Gewalttaten gegeben. Das sogenannte Personenpotenzial liege seit 2019 kontinuierlich bei 330. „Insgesamt befand sich die rechtsextremistische Szene weiter im Wandel“, heißt es im Bericht. Aktivisten orientierten und sortierten sich neu. Dabei sei mehr Engagement in losen Netzwerken, schnelllebigen Ad-hoc-Kleingruppen sowie als nicht vernetzte Einzelpersonen zu verzeichnen.

Mit Blick auf die sogenannten Reichsbürger zählt der saarländische Verfassungsschutz rund 140 Menschen, die diesem Spektrum angehören. Darunter seien etwa 25 als rechtsextremistisch zu sehen. Im vergangenen Jahr habe sich vor allem die Zahl der Zuschriften an Behörden erhöht. Dabei handele es sich vor allem um Widersprüche gegen behördliche Entscheidungen wie Bußgeldbescheide. Begründet würden diese mit szenetypischen Erklärungen wie der Nichtexistenz der Bundesrepublik.

In der Kategorie Islamismus und islamistischer Terrorismus gibt es dem Bericht zufolge ein auf 420 Menschen gestiegenes Potenzial (Vorjahr: 400). Der Salafismus habe im Saarland unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen nach wie vor eine hohe Attraktivität. Wie 2020 wurden vier Straftaten begangen, darunter befand sich erstmals wieder eine Gewalttat. Weitere Delikte waren den Angaben zufolge Terrorismusfinanzierung, Volksverhetzung, Verwendung von Kennzeichnen verfassungswidriger Organisationen und Körperverletzung. Allerdings verzeichne die polizeiliche Kriminalstatistik nicht alle Fälle, da manche durch polizeiinterne Vorgaben ausschließlich in der Kriminalstatistik des Bundes auftauchten, heißt es.

Im Spektrum auslandsbezogener Extremismus ohne Islamismus und islamistischer Terrorismus verzeichnet der Verfassungsschutz dem Bericht zufolge etwa 440 Menschen, von denen etwa 300 Mitglieder der „Arbeiterpartei Kurdistans“ (PKK) seien. Die Zahl der Straftaten sei im Vergleich zu 2020 von 21 auf 9 gesunken, darunter keine Gewalttaten.

Beim Linksextremismus liegt das Personenpotenzial wie im Jahr 2020 bei 335 - und auch die Straftaten seien mit vier unverändert. Darunter finde sich ebenfalls keine Gewalttat. Vielmehr handle es sich um Sachbeschädigung an einem Polizei-Dienstgebäude, an einer Einrichtung von „pro familia“ und an der CDU-Geschäftsstelle in Ottweiler sowie um die Zerstörung von Bundestagswahlplakaten der AfD in Neunkirchen.

(epd)
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