Angemessener Umgang mit legalen Suchtmitteln

Bereits 13-Jährige, die die Schnapsflasche ansetzen. 14 Jahre alte Teenager, die mit Alkoholvergiftung im Krankenhaus landen. Gleichaltrige, die ihren ersten Joint hinter sich haben. Dazu junge Leute, die zwar noch keine 18 Jahre sind, aber bis weit nach Mitternacht in der Disco feiern, obwohl gesetzlich verboten

Bereits 13-Jährige, die die Schnapsflasche ansetzen. 14 Jahre alte Teenager, die mit Alkoholvergiftung im Krankenhaus landen. Gleichaltrige, die ihren ersten Joint hinter sich haben. Dazu junge Leute, die zwar noch keine 18 Jahre sind, aber bis weit nach Mitternacht in der Disco feiern, obwohl gesetzlich verboten. Für Polizei, Jugend- und Gesundheitsamt sowie für Suchtberatungsstellen und öffentliche Netzwerke in der Jugendhilfe eine Menge Probleme - auch in den Landkreisen Saarlouis, St. Wendel sowie Merzig-Wadern. Und die Situation für die Helfer ist in den vergangenen Jahren nicht einfacher geworden. "Alle Schüler der Klasse sieben haben heute Erfahrungen mit Alkohol," berichtet Frank Seibert. Der 44-Jährige ist seit fünf Jahren Schoolworker des Kreisjugendamtes im St. Wendeler Land. Er kümmert sich wie vier weitere Kollegen in Zusammenarbeit mit weiterführenden Schulen im Landkreis St. Wendel darum, Probleme der Schüler zu bewältigen. Zum Vergleich: Im Nachbarkreis Merzig-Wadern arbeiten zurzeit acht Schoolworker an weiterführenden Schulen. Zum neuen Schuljahr sind weitere Stellen für Grundschulen geplant, die von sechs Fachkräften besetzt werden sollen. Das verdeutlicht, wie intensiv auf Jugendprobleme eingegangen werden muss. Seiberts St. Wendeler Kollegin Ellen Lenz (46)kann dessen Aussage zur steigenden Suchtgefahr schon bei sehr jungen Schülern nur bestätigen: "Das Einstiegsalter ist niedriger. Das hat eine neue Qualität." Das bedeutet: Heute griffen bereits 13-Jährige zur Flasche. Der Grund für diese Entwicklung laut Lenz, die seit rund 15 Jahren für das Jugendamt im Landkreis St. Wendel tätig ist: "Es wird einfach mehr toleriert. Alkoholkonsum wird als selbstverständlich angesehen, als normal. Weil das alle machen, greifen auch viele Eltern nicht mehr ein." Schlimmer noch während der Fastnachtszeit: Dann böten Erwachsene Minderjährigen sogar Hochprozentiges wie Schnaps und Cognac an. Bei vielen Umzügen verteilten Karnevalisten vom Wagen herab Schnaps, Bier und Wein, ohne darauf zu achten, wer die Getränke in die Hände bekommt. Nicht zu vernachlässigen sei das Verhalten unter den Jugendlichen - Lenz: "Es gibt einen Gruppenzwang. Es ist einfach cool zu trinken." Das zeige sich ihr und den anderen Schoolworkern bei der Arbeit an Schulen. Frank Seibert: "Komasaufen ist ein Thema, sei es auf einer privaten Fete oder in der Öffentlichkeit." Dieses Konsumverhalten zu ändern, darin sehen die Schoolworker unter anderem ihre Aufgabe. "Uns geht es darum, an einen angemessenen Umgang mit legalen Suchtmitteln heranzuführen", beschreibt Seibert. Sprich: Feiern soll nicht verboten werden. Aber um ausgelassen zu sein, müssen Menschen nicht zugedröhnt sein. Um Schwierigkeiten mit der Sucht in den Griff zu bekommen, gehörten Freizeitangebote, die davon ablenken. Dafür gebe es unter anderem ein Netz von Familienberatungszentren in allen Gemeinden. In dieser außerschulischen Jugendarbeit stehe der Kontakt mit Vereinen und Verbänden im Mittelpunkt. Was das Suchtverhalten betrifft, erkennen Seibert und Lenz keine Schwerpunkte: Schüler an Erweiterten Realschulen zeigten ähnliche Verhaltensmuster wie Gymnasiasten. Ein Stadt-Land-Gefälle bestehe ebenso wenig. Kreisjugendamt St. Wendel: Mommstraße 25a, 66606 St. Wendel, Telefon (06851) 80 12 25, Leiterin: Vera Meyer, E-Mail: v.meyer@lkwnd.deKreisjugendamt Merzig-Wadern: Bahnhofstraße 44, 66663 Merzig, Tel. (06861) 8 01 60, Leiterin: Stephanie Nickels, E-Mail: s.nickels@merzig-wadern.de Produktion dieser Seite: Matthias ZimmermannHannelore HempelDrogenOb legal oder illegal - eins haben Suchtmittel gemeinsam: Sie schädigen die Gesundheit. Darum zählen Experten Alkohol und Zigaretten ebenso zu Drogen, auch wenn sie legal sind, wie verbotene Substanzen, beispielsweise Haschisch. "Das Einstiegsalter ist niedriger. Das hat eine neue Qualität." Schoolworkerin Ellen Lenz zum ersten Kontakt mit Alkohol bei Schülern

Auf einen BlickDas Jugendschutzgesetz (JuSchG) hat auch einige feste Regeln in Zusammenhang mit Discos und anderen öffentlichen Veranstaltungen, die sowohl von Kindern und Jugendlichen auf der einen als auch von den Eltern auf der anderen Seite zu beachten sind:Erst ab 16 Jahren dürfen Jugendliche zu Tanzveranstaltungen. Für sie ist aber bereits um Mitternacht Feierabend. Darüber hinaus müssen die Besucher mindestens 18 Jahre sein. Anders sieht es bei Veranstaltungen aus, die anerkannte Vertreter der Jugendhilfe organisieren, künstlerischer Betätigung dienen oder Brauchtumspflege darstellen: Hier dürfen Kinder (jünger als 16 Jahre) bis 22 Uhr bleiben, 16- bis unter 18-Jährige bis 24 Uhr. Werden die Minderjährigen von den Eltern und einer von diesen beauftragten Person begleitet und beaufsichtigt, gelten die Altersgrenzen nicht.Übrigens: Ob es sich bei Karnevalsveranstaltungen ebenfalls um Brauchtum handelt, das die Zeitlimits aufweicht, ist Auslegungssache. So sieht das Kreisjugendamt in Merzig Kappensitzungen als zu diesem Bereich gehörend. Bei Fastnacht-Tanzveranstaltungen gehe die Behörde skeptisch, aber "wohlwollend" davon aus, sagt Peter Wilhelm, zuständig für die Jugendarbeit beim Merzig-Waderner Amt. Vera Meyer, Chefin der St. Wendeler Behörde, sieht das ähnlich. hgn

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