Amt lässt Brief ans Familiengericht liegen

Saarbrücken. Der Tod einer Mutter und ihres zweijährigen Sohnes im Juli 2011 in einer Wohnung in Burbach hat für viele Schlagzeilen gesorgt. Das Jugendamt des Regionalverbandes hatte mehrfach Kontakt zur Mutter

Saarbrücken. Der Tod einer Mutter und ihres zweijährigen Sohnes im Juli 2011 in einer Wohnung in Burbach hat für viele Schlagzeilen gesorgt. Das Jugendamt des Regionalverbandes hatte mehrfach Kontakt zur Mutter. Nun hat Thomas Meysen vom Deutschen Institut für Jugendhilfe und Familienrecht festgestellt: Mehrere Wochen habe eine Mitarbeiterin des Jugendamts den Brief an das Familiengericht liegen lassen.Meysen rekonstruiert den Fall so: Erstmals sei die alleinerziehende Mutter 2009 dem Jugendamt aufgefallen. Dann sei das Amt am 13. Mai 2011 alarmiert worden, dass der Sohn im Kinderwagen allein auf dem St. Johanner Markt schreie. Als die Polizei eintraf, sei aber alles in Ordnung gewesen. Trotzdem hätten die Beamten einen Bericht an das Jugendamt geschrieben, das am 25. Mai einen Hausbesuch machen wollte. Die Frau habe sich geweigert. Erst als die Polizei angerückt sei, habe die Mutter kurz geöffnet, berichtet Meysen: "Das Kind sah gut genährt und gut gekleidet aus."

Weil die Frau aber jede Kontaktaufnahme mit dem Amt mehrmals deutlich abgelehnt hatte, wie der Gutachter erklärt, hätten mehrere Fachleute im Amt am nächsten Tag entschieden, das Familiengericht anzurufen. Den Brief habe die Mitarbeiterin aber erst 40 Tage später, am 5. Juli, abgesandt. Er traf am 7. Juli beim Gericht ein, sagt Meysen. Die SZ berichtete am 14. Juli, dass Polizei und Feuerwehr die bereits stark verwesten Leichen fanden. Der Junge ist vermutlich verhungert. Die Todesursache konnte die Staatsanwaltschaft nie aufklären, schloss Fremdeinwirkung aber aus.

Meysen sagt zu dem spät abgeschickten Brief: "Die Verzögerung ist aus der Akte nicht zu erklären." Weitere Informationen seien hinzugefügt worden. Denn auch das Gesundheitsamt habe versucht, zu der Frau Kontakt aufzunehmen, weil das Kind eine Vorsorgeuntersuchung nicht gemacht habe.

Amtsleiterin Uschi Biedenkopf weist darauf hin, dass die Frage "Wäre es zu verhindern gewesen, wenn wir schneller gehandelt hätten, reine Spekulation ist". Die Verfahrensstandards im Amt seien in Ordnung. Hat aber nicht die Kontrolle im Amt versagt? Für Meysen ist das der entscheidende Punkt: "Es ist wichtig, dort anzusetzen." Seine Erklärung, warum der Brief so lange im Amt lag: "Der Fall hatte keine Eile." Dem Kind sei es ja offensichtlich gut gegangen. Er betont: "Ich habe keine Ansatzpunkte gefunden, dass das Amt den Tod hätte verhindern können." Er empfiehlt Regionalverbandsdirektor Peter Gillo aber, die Fälle im Jugendamt "zügig zu bearbeiten".

Biedenkopf gibt zu: "Es gibt Kontrollmechanismen, die haben aber nicht gegriffen." So habe der Vorgesetzte nicht überprüft, ob die Mitarbeiterin den Brief auch abgeschickt habe. Peter Gillo sagt: "Der Kollegin ist ein Fehler unterlaufen, das hätte nicht passieren dürfen. Das bedauere ich." Dieses Vorgehen widerspreche den Standards der Fallbearbeitung im Jugendamt. Foto: Becker&Bredel

Meinung

Kontrolle hat völlig versagt

Von SZ-RedakteurMarkus Saeftel

Es ist gut, dass der Regionalverband nach dem Tod einer Mutter und ihres Sohnes die Arbeit des Jugendamts von einem anerkannten Institut prüfen lässt. Doch das Ergebnis ist erschreckend: Weil die Mutter jedes Hilfsangebot vom Amt abgelehnt hat, sollte das Familiengericht eingeschaltet werden - und eine Mitarbeiterin ließ den Brief wochenlang liegen. Das ist nicht zu entschuldigen.

Regionalverbandsdirektor Peter Gillo und Amtsleiterin Uschi Biedenkopf kamen gestern ins Schwitzen. Die Kontrolle hat versagt. Wo waren die Vorgesetzten, um zu überprüfen, dass der Brief auch abgeschickt wurde? Es darf nicht sein, dass ein Brief liegen bleibt - auch wenn das Kind angeblich nicht akut in Gefahr war. Gillo und Biedenkopf tragen an der Verwaltungsspitze die Verantwortung für diesen Fehler. Sie müssen schleunigst für eine effektive Kontrolle im Jugendamt sorgen.

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