Amerikanische Jazzer lieben Paris

Das Saarbrücker Jazz-Festival bietet vom 5. bis 21. November wieder ein breites Spektrum an Blue Notes. Eine besondere Beziehung hat das Jazz-Syndikat als Veranstalter zum Jazz aus Frankreich. Wie diese sich bei der Auswahl der Künstler im Programm widerspiegelt, erläutert Wolfgang Krause, der künstlerische Leiter des Festivals, im Interview mit SZ-Redakteurin Ulrike Conrath.

 Der französische Saxofonist Olivier Franc bewahrt das Erbe des legendären schwarzen Saxofonisten Sidney Bechet. Foto: Benoit Framenil

Der französische Saxofonist Olivier Franc bewahrt das Erbe des legendären schwarzen Saxofonisten Sidney Bechet. Foto: Benoit Framenil

Foto: Benoit Framenil

"Jazz Manouche", die französische Variante des Gypsie Jazz, darf im Angebot des Saarbrücker Jazz-Festivals nicht fehlen. Was sprach bei der Auswahl für das Marcel Löffler Trio?

Krause: Da gibt es drei Gründe: Wir kennen Marcel Löffler und sind von seiner sehr pointierten, individuellen Spielweise angetan. Dann kommt die Begeisterung für den Jazz dazu. Im Konzert auf dem Halberg wird er - genauso wie der in Frankreich hoch angesehene Ludovic Beier - zeigen, wie sich Jazz auf dem Akkordeon anhört. Und außerdem haben wir die Wahl natürlich mit den französischen Partnern des Konzertes getroffen.

Das Konzert mit dem Marcel Löffler Trio und dem Ludovic Beier Quartett am 21. November im Funkhaus Halberg veranstaltet das Jazz-Syndikat mit dem Festival "Au Grès du Jazz" in La Petite Pierre im Elsass. Wie läuft die Zusammenarbeit?

Krause: Also, super. La Petite Pierre ist ein Sommer-Festival, das auch viele Touristen anzieht. Wir machen unser Programm Ende Herbst, vornehmlich für das Saarbrücker Publikum und seine Gäste. Logistisch gibt's daher kaum Gemeinsamkeiten, aber was die Kontakte, den Austausch und das generelle Engagement angeht: einfach klasse. Außerdem haben wir uns dort mittlerweile einen Ruf erworben: nämlich den, gute Ansprechpartner für aktuelle Entwicklungen der französischen Szene zu sein.

Sechs Saxofonisten in Folge treten vom 7. bis 12. November im Domicil Leidinger auf. Der Franzose Olivier Franc eröffnet die Reihe mit seinem Quintett. Was ist seine Spezialität?

Krause: Die Familie Franc bewahrt das Erbe des legendären schwarzen Saxofonisten Sidney Bechet. Bandleader Olivier spielt auf dem Original-Sopransaxofon von Bechet, Bechets Sohn Daniel sitzt am Schlagzeug. Eigentlich eine Sensation, dass wir so eine Band nach Saarbrücken holen konnten. Das ist Jazz-Geschichte pur.

Auch das Konzert mit dem US-Virtuosen David Murray und seinem Infinity Quartet am 12. November im Leidinger hat einen Bezug zu Frankreich. Schließlich lebt der Tenorsaxofonist und Altklarinettist seit den 90er Jahren in Paris. Was macht die Seine-Metropole zum begehrten Pflaster gerade für schwarze US-amerikanische Jazzer?

Krause: David ist mit einer Französin verheiratet, es gibt viele schwarze Musiker, die ihr privates Glück in Frankreich gefunden haben. Doch neben der individuellen Situation ist auch der historische Hintergrund eindeutig. Viele schwarze Jazzer fühlen sich seit den 1930er-Jahren in Frankreich willkommen. Paris war und ist für viele ein Hort der Toleranz. Miles Davis beschrieb dieses Gefühl des Akzeptiert-Werdens in seiner Autobiografie. Duke Ellington liebte Paris. Sidney Bechet lebte dort, weil er dem Rassismus in Amerika entfliehen wollte. Gesellschaftliche Akzeptanz, Verbundenheit mit der Jazz-Tradition, Freiheit zur künstlerischen Entfaltung: Das verbinden nach meiner Wahrnehmung viele schwarze Musiker mit Frankreich. Dazu kommt dann natürlich der ökonomische Aspekt. Etliche US-Jazzer verdienen in Europa das Geld, das sie zum Leben brauchen. Und da ist Frankreich mit den Clubs in Paris, mit seiner Kultur bedeutender Jazz-Festivals und mit einem hohen Gagen-Niveau - was auch mit dem französischen Sozialsystem für Künstler zusammenhängt - nach wie vor die beste Adresse in Europa.

Karten im Musikhaus Arthur Knopp, Futterstraße 4, Telefon (06 81) 91 01 00, und im Domicil Leidinger, Mainzer Straße 10, Tel. (06 81) 9 32 70.

jazz-syndikat.de

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