Französischsprachige Kammern am Landgericht Die Gerichtssprache ist deutsch – aber . . .

Saarbrücken · Am Landgericht Saarbrücken kann neuerdings auf Französisch verhandelt werden. Das Gesetz setzt dafür aber enge Grenzen.

Schriftsätze und Verhandlungsprotokolle müssen auch künftig in deutscher Sprache abgefasst sein.

Schriftsätze und Verhandlungsprotokolle müssen auch künftig in deutscher Sprache abgefasst sein.

Foto: dpa/Volker Hartmann

Die vor fünf Jahren gestartete Frankreich-Strategie des Landes hat mittlerweile die Justiz erreicht: Vor zwei Zivilkammern des Landgerichts Saarbrücken kann seit 1. Januar auf Französisch verhandelt werden. Neue Richterstellen wurden dafür nicht geschaffen: Die drei zweisprachigen Richter, die beide Kammern besetzen – darunter zwei Richter mit doppelter Staatsangehörigkeit –, haben normalerweise andere Aufgaben am Landgericht.

Wie aber passt das neue Angebot zum Grundsatz „Die Gerichtssprache ist deutsch“? Mit Verweis auf den entsprechenden Paragrafen 184 im Gerichtsverfassungsgesetz bezweifelt die AfD, dass das neue Angebot praktisch umsetzbar ist.

Man muss noch einen Paragrafen weiterlesen, dann wird die Frage geklärt. Paragraf 185 bestimmt nämlich, dass bei einer Verhandlung unter Beteiligung von Personen, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind, auf einen Dolmetscher verzichtet werden kann, „wenn die beteiligten Personen sämtlich der fremden Sprache mächtig sind“. Auf diesen Paragrafen stützt das Präsidium des Landgerichts die Einrichtung der beiden Kammern. In anderen Bundesländern haben Landgerichte, etwa in Hamburg und Frankfurt, auf dieser Basis bereits Kammern eingerichtet, vor denen in englischer Sprache verhandelt wird.

Allerdings ist die Französisch-Erlaubnis eng begrenzt, sie gilt nämlich nur für die mündliche Verhandlung. Schriftsätze der Parteien, Verhandlungsprotokolle, gerichtliche Verfügungen und Entscheidungen müssen weiterhin in deutscher Sprache abgefasst werden.

Um möglichen Bedenken in Bezug auf die Rechtssicherheit des Verfahrens Rechnung zu tragen, soll vor den beiden Kammern nach Angaben des Justizministeriums zudem nur dann auf Französisch verhandelt werden, wenn a) der Rechtsstreit einen internationalen Bezug aufweist und b) die Parteien innerhalb einer bestimmten Frist übereinstimmend erklären, dass sie die mündliche Verhandlung in französischer Sprache führen wollen und auf einen Dolmetscher verzichten. Die Zahl der Rechtsstreitigkeiten, für die eine französische Verhandlungsführung infrage kommt, dürfte also begrenzt sein.

Um die Sprache vor Gerichten gibt es seit Jahren eine Diskussion in der juristischen Fachöffentlichkeit. Der Bundesrat hat bereits drei Mal – zuletzt im Dezember 2018 – den Versuch unternommen, an den Landgerichten die Einrichtung englischsprachiger Kammern für Wirtschaftsprozesse zuzulassen – und zwar ohne die erwähnten Einschränkungen, wie sie bisher gelten. Bisher hat sich dafür im Bundestag keine Mehrheit gefunden.

Interessanterweise wehrte 2010 der damalige Saar-Ministerpräsident und heutige Bundesverfassungsrichter Peter Müller (CDU) einen entsprechenden Vorstoß mit den Worten ab: „Die Amtssprache in Deutschland ist und bleibt deutsch. Das muss auch für alle Gerichte gelten.“ Müller führte unter anderem ins Feld, dass ein Verfahren in englischer Sprache „nur schwerlich mit dem Öffentlichkeitsgrundsatz vereinbar“ sei. Dieser besagt, dass Prozesse für jedermann verständlich ablaufen müssen. Gerade dies sei bei einer Verhandlung in englischer Sprache jedoch „nur einem verschwindend geringen Prozentsatz der Bevölkerung möglich“. Gleichwohl gab es schon damals den Paragrafen 185, der eine mündliche Verhandlung in einer fremden Sprache zulässt.

Die Befürworter argumentieren seit Jahren anders, etwa in dem im Dezember vom Bundesrat beratenen Gesetzentwurf: „Die Begrenzung der Gerichtssprache auf Deutsch trägt damit dazu bei, dass bedeutende wirtschaftsrechtliche Streitigkeiten entweder im Ausland oder vor Schiedsgerichten ausgetragen werden – zum Nachteil des Gerichtsstandortes Deutschland und deutscher Unternehmen.“ Mit der gleichen Begründung wurden nun am Landgericht Saarbrücken die französischsprachigen Kammern eingerichtet. Auch erhofft sich das Land einen Standortvorteil für die Ansiedlung frankophoner Unternehmen. Der Europa-Bevollmächtigte Roland Theis (CDU) berichtete nach Vorträgen und Gesprächen in Frankreich jedenfalls, die beiden neuen Kammern am Landgericht stießen jenseits der Grenze auf großes Interesse.

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