Bürgermeister-, Kommunal-, Europawahl Den Saarländern steht ein Superwahltag bevor

Saarbrücken · Am Sonntag werden im Saarland nicht nur das EU-Parlament und kommunale Räte gewählt, sondern auch 34 Bürgermeister. Für die Parteien geht es um viel.

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Foto: SZ

Die Wahlkämpfer der Parteien werden sich am Samstag noch einmal richtig ins Zeug legen. In Fußgängerzonen oder vor Supermärkten wollen sie am letzten Tag vor der Europa- und Kommunalwahl möglichst viele potenzielle Wähler überzeugen – mit warmen Worten, Kugelschreibern, Flugblättern oder Blumensamen. Alles muss raus.

Denn am Sonntag geht es um viel. Erstmals in der Geschichte des Saarlandes werden an ein und demselben Tag nicht nur das EU-Parlament, die Kreistage die Stadt- und Gemeinderäte und die Ortsräte gewählt, sondern auch ein Großteil der Bürgermeister und Landräte. Diese Termin-Bündelung war lange geplant, sie wurde schon 2007 vom Landtag beschlossen. Aus gutem Grund: Nach Einführung der Direktwahlen 1994 hatte sich mehr und mehr herausgestellt, dass sich das Interesse daran in Grenzen hält, jedenfalls in größeren Einheiten wie Städten und Landkreisen. Der Tiefpunkt war 2006 erreicht, als sich bei der Neuwahl des Stadtverbandspräsidenten nur jeder fünfte Wahlberechtigte zur Teilnahme aufraffte.

Die Direktwahlen wieder abschaffen wollte kaum jemand, also verfiel man auf einen anderen Gedanken: Wenn alle Wahlen am selben Tag stattfinden, so lautete die Hoffnung, dann werden die Abstimmungen zu einem richtigen Ereignis, für das sich alle interessieren, und die Wahlbeteiligung geht wieder nach oben.

Wenn die Wahlbeteiligung am Sonntag – was sich andeutet – deutlich über die 52,5 Prozent vom letzten Mal steigen sollte, dürfte dies in erster Linie der Mobilisierung durch die Europawahl geschuldet sein, die allenthalben als „Schicksalswahl“ für die Zukunft des Kontinents beworben wird. Allerdings hat die Bündelung der Kommunalwahltermine dazu geführt, dass im Land auch mehr über kommunale Themen diskutiert wurde – siehe den „Saarlandpakt“, den die große Koalition rechtzeitig vor den Kommunalwahlen beschloss, siehe auch Themen wie öffentlicher Nahverkehr oder Radwege in den Gemeinden, die beinahe flächendeckend eine Rolle spielten.

Für die Landesparteien ist der Ausgang der Direktwahlen nicht unwichtig. Es geht um die Frage, wer in den Kommunen die Nummer eins ist. Derzeit ist das nicht so ganz klar. Die CDU hat zwar die meisten Ratsmitglieder, aber die Sozialdemokraten stellen etwas mehr Bürgermeister und Landräte.

Die Parteistrategen haben in den vergangenen Monaten analysiert, wo Bewerber aus den eigenen Reihen am Sonntag die besten Chancen haben, Rathäuser von Mitbewerbern zu erobern. So setzt die CDU zum Beispiel darauf, dass sie das 2011 verlorene Rathaus in St. Ingbert wiedergewinnt. Die SPD wiederum rechnet sich Chancen in Püttlingen aus, der Heimatstadt von CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer.

Aus landespolitischer Sicht interessant ist auch die Frage, ob sich der Trend hin zu parteilosen und unabhängigen Kandidaten fortsetzt (am Sonntag treten unzählige an, allein in Schmelz und Kleinblittersdorf jeweils vier) oder Bewerber von Grünen, FDP, Linken oder AfD Achtungserfolge erzielen können. Nur in zwei Gemeinden steht der Ausgang praktisch fest: In Schwalbach und Tholey sind die CDU-Amtsinhaber die einzigen Kandidaten.

Meinungsumfragen für die Kommunalwahl gab es nicht, Infratest dimap ermittelte Anfang Mai im  „Saarlandtrend“ für den SR lediglich, wem die Saarländer am ehesten zutrauen, die wichtigsten Probleme in den Kommunen zu lösen (CDU 32 Prozent, SPD 25, Linke und Grüne je 4, Freie Wähler und AfD je 2, FDP 1, keine 26).

Angesichts der derzeitigen Umfrage-Schwäche von Union und SPD wirken die Ergebnisse von CDU und SPD von vor fünf Jahren beinahe wie aus einer anderen Zeit: Die CDU kam in den saarländischen Städten und Gemeinden auf 38,8 Prozent, die SPD auf 36,1 Prozent. Beide Parteien haben bei Kommunalwahlen einen strukturellen Vorteil: Sie sind fast überall mit Ortsverbänden und Ortsvereinen vertreten, während die übrigen Parteien weiße Flecken auf der Saarlandkarte haben. So tritt die Linke nach einer Schätzung von Partei-Vize Andreas Neumann in 42 bis 46 der insgesamt 52 Kommunen an (2014: 48), die FDP in 36 (2014: 34). Die Grünen haben 44 Listen (2014: 43) aufgestellt und kooperieren in Losheim und Weiskirchen mit der Grün-Alternativen Liste. Die AfD trat 2014 in elf Kommunen an, verlor danach aber einen Teil der Mandatsträger, weil sich Fraktionen im Zuge des innerparteilichen Richtungsstreits zerlegten. Diesmal hat die AfD Listen in 24 Städten und Gemeinden eingereicht. Bei Kommunalwahlen gibt es einen weiteren Akteur: die Freien Wählergemeinschaften. 27 traten bei der Wahl 2014 an, diesmal dürften es ähnlich viele sein.

Eine offene Frage ist, wie stark sich bei der Kommunalwahl die im Vergleich zur Wahl 2014 drastisch veränderte politische Stimmungslage in Deutschland auswirkt. Damals stand die CDU in Umfragen bei 40 Prozent, die SPD bei 25 Prozent, die Grünen bei 11 und die AfD bei 4 Prozent. Was sich gewiss sagen lässt: Die Mehrheitsbildung in den Räten wird wohl schwieriger werden. Dann wird interessant sein, ob sich im Land bestimmte Koalitionsmuster finden – vor allem in der Landeshauptstadt, die schon manches Mal als Testlabor für neue Konstellationen diente (1974 Rot-Gelb, 2001 Schwarz-Grün, 2009 Rot-Rot-Grün).

Bis am Sonntagabend die Ergebnisse der Kommunalwahlen feststehen, ist aber erst einmal Geduld gefragt: Ab 18 Uhr werden zunächst die Stimmzettel der Europa-Wahlen ausgezählt, dann die der Direktwahlen und schließlich die der Ratswahlen. Es könnte also später werden, bis klar ist, wer in den Kommunen die Nummer eins ist.

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