Also lautet der Beschluss . . .

Ottweiler · Wie der Mensch so lernen muss(te) durch die Jahrzehnte zeigt das saarländische Schulmuseum in Ottweiler.

 Sie kümmern sich ums Schulmuseum (von links) Elke Toedther, Stiftungsvorsitzender Hans-Heinrich Rödle, die hauptamtliche Museumspädagogin Bettina Heisel, der frisch gekürte ehrenamtliche Leiter Ralf Hoffmann und Sigrid Keller. Fotos: Jörg Jacobi

Sie kümmern sich ums Schulmuseum (von links) Elke Toedther, Stiftungsvorsitzender Hans-Heinrich Rödle, die hauptamtliche Museumspädagogin Bettina Heisel, der frisch gekürte ehrenamtliche Leiter Ralf Hoffmann und Sigrid Keller. Fotos: Jörg Jacobi

Das zischt. Bettina Heiser lässt den Stock sausen - Gott sei Dank auf die alte Schulbank und nicht auf jemandes Hand. Das hätte weh getan. Was genau genommen aber auch der Zweck der Übung war. Früher jedenfalls. Als die Hasel als Züchtigungsstöckchen Verwendung im Klassenraum fand. Die Hasel deshalb, "weil sie so schön stabil war" (Heisel). Geschlagen wurde auf Hände (Mädchen) und Popos (Jungs). Einen Eintrag wer, warum und wie, den gab es dann noch obendrauf - im Zuchtbuch wohl bemerkt. Und da kam der Bestrafte noch gut weg. Im Nachbarland Frankreich gab's Zeiten mit richtigen Zuchtpeitschen. Eine von ihnen ist zu sehen im Ottweiler Schulmuseum - neben vielen anderen Exponaten. Rund 10 000, die Hälfte davon im Netz erfasst.

Das im Jahr 1992 eröffnete Museum liegt in der Goethestraße, im Gebäude Nummer 13, ist denkmalgeschützt. Es ist das einzige seiner Art, nicht nur im Saarland, sondern im südwestdeutschen Raum. Die Frequenz ist entsprechend gut. 6000 Besucher im Jahr, 180 Schulklassen, wie der Vorsitzende des Stiftungsrates, der ehemalige Ottweiler Bürgermeister Hans-Heinrich Rödle der SZ bei einer Exklusiv-Führung erzählt.

Start einer Führung ist in der Regel der Schulsaal mit allem Drum und Dran, das man in den Jahren 1920 bis 1950 hier gefunden hat: Rechenschieber, Lehrerpult, viele dunkelbraune Bänke, viele Lernplakate an den Wänden. Heisel demonstriert eins davon - dieses Mal mit dem milde gestimmten Zeigestock. Viele Zahlen sind darauf. Sie dienten den quer durch die Jahrgangsstufen reichenden Klassen für die verschiedensten Rechenarten. Die einen haben addiert, die anderen multipliziert und so weiter. Viel zu staunen gibt es hier auf jeden Fall für die Besucher, die auch selbst mal in Jacke und Hut eines Lehrkörpers schlüpfen können ("sehr klein, aber denen ging es ja damals auch nicht so gut", sagt Rödle). Anfassen ist hier im Übrigen ausdrücklich erwünscht. "Anders als in anderen Museen", so der Stiftungsvorsitzende und weist auf die entsprechenden Schilder, die zum Mitmachen auffordern. Wenige sind das nicht. Sogar Schürzen und Matrosenanzüge hält man bereit, falls die Kinder das richtige Schulgefühl ihrer Urgroßeltern erfühlen möchten. "Kinder wollen das erfahren und erleben", sagt denn auch der frischgebackene ehrenamtliche Museumsleiter und damit Nachfolger von Gründer Schiffler, Ralf Hoffmann.

Da gibt es einen Riesen-Rechenschieber, eine Buchstabentrommel, Holzklötze mit Bildern (auf einer der alten Schülerhausbänke, wie sie in den drei Stockwerken des Museums immer mal wieder auftauchen) - alles zum Ausprobieren. In vielen Vitrinen sind die gesammelten Ausstellungsstücke untergebracht. "Und das ist nur ein Teil, ein Großteil ist eingelagert", erklärt Heisel. Aus diesem Grund hält man zwar immer die Augen offen - auf Flohmärkten beispielsweise - ist aber eigentlich gut bedient. Über originelle Fundstücke freut man sich, wie beispielsweise über Teile eines Kachelofens und Feuerlöschers aus der privaten Haushaltsschule von 1905, die bei Renovierungsarbeiten gefunden wurden. Aus dem Fundus werden immer mal wieder Sonderausstellungen zusammengestellt. "Altes Handwerk in der Schule", "Tiere in der Schule", "Handarbeiten", "Schule in der NS-Zeit" waren einige davon.

Gibt der erste Stock des unter Denkmalschutz stehenden Hauses einen Einblick in den allgemeinen Schulalltag durch die Jahrzehnte, wird es obendrüber (vorbei am stilechten Plumpsklo) auch mal spielerisch. Puppenschulen gibt es hier zu sehen, aber auch Ranzen und andere Accessoires. "Bei den Ranzen sieht man schön den Unterschied zwischen arm und reich früher", erläutert Rödle. Bestickter Tornister gegen Gürtel sozusagen. Währenddessen vertieft sich Hoffmann in das in Auszügen ausgehängte Strafbuch. Dort hat ein Namensvetter von ihm gar kräftig zugelangt, Bestrafungen wegen Faulheit, Langsamsein und ähnlich gravierenden Vergehen verhängt.

"Bitte benutzen" heißt es auch hier - unter anderem an der zu Hitlers Zeiten konzipierten Rechenmaschine, als deutsches Pendant zum russischen Abakus. "Hat sich aber nicht durchgesetzt", sagt Hoffmann. Hier findet sich auch das älteste Objekt des Museums: Ein römischer Schreibgriffel aus dem dritten/vierten Jahrhundert.

Handarbeitsunterricht, Musikunterricht, Naturwissenschaften - alles findet seinen Platz. Wer in den dritten Stock will, der kann dann mal testen, wie es im Karzer ausgesehen hat, der Strafkammer der höheren Schulen. Zum Esel machen lassen kann man sich dann unterm Dach. Auch hier ist wieder ein Klassenraum eingerichtet. Wenn Heisel Führungen macht, dann erfahren die Kinder, wie streng die Sitten früher waren. Eselskappe oder - für die Mädchen, dass die Frisur nicht zerstört wurde - das Eselsband, Schild und ein Esel als Sitzplatz - wer nicht hören wollte, der fühlte, sich zumindest ganz schon blöd.

Anderthalb Stunden dauern die Führungen für Schulklassen, inklusive nachgebautem Pausenhof. Zehn ehrenamtliche Helfer gibt es dafür. Heisel ist Lehrerin und im Team die hauptamtliche Museumspädagogin. Elke Toedther und Sigrid Keller kümmern sich um Pforte und Rezeption, Ingrid Keller um die Sauberkeit und Hausmeister Norbert Burr kommt, wann immer erforderlich.

Die Stiftung Schulmuseum wurde 1991 gegründet. Von Beginn an ist Rödle Vorsitzender. In der Stiftung öffentlichen Rechts sind vertreten Stadt, Land und Kreis. Der Etat beläuft sich auf 30 000 Euro, finanziert durch Landeszuschüsse und 12 000 Euro aus Eintrittsgeldern und Verkäufen im museumseigenen Shop. Kontakte hat das Museum beispielsweise mit Schulmuseen in Dresden und Leipzig. In die Schulstadt Ottweiler passt das Museum laut Rödle "ganz wunderbar". 1575 gab es hier im Kloster Neumünster die erste Schule, 1800 waren drei im Ort und bis heute sind die verschiedensten Schulformen in der Stadt vertreten. Mittlerweile gibt es sogar einen Schulrundweg.

Auch wenn Rödle sagt "wir sind stolz auf dieses Haus", dann bedeutet das nicht Stillstand. Seit Neuestem werden Demenzführungen angeboten. "Das ist toll, wie sich die Menschen erinnern", sagt Heisel. Für die, die nicht mehr selbst kommen können - das Haus ist nicht barrierefrei und wegen Denkmalschutz nicht umbaubar - hat man zwei Schulranzen zum Ausleihen bereitstehen. Materialien gibt es für Sehbehinderte und bald auch für Hörgeschädigte. Die, die kommen, aber keine Treppen mehr gehen können, kriegen Anschauungsmaterial ins Erdgeschoss gebracht. Dort können sie sich in einer der Schulbänke im Klassenzimmer ein Plätzchen suchen und in Erinnerungen schwelgen. Möglicherweise auch an den bösen Hasel-Rohrstock - wenn sie nicht alle doch eigentlich immer ganz brav waren. Produktion dieser Seite:

Wolf Porz

Edmund Selzer

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 Auch ein historischer Schulturnplatz (Anfang 20. Jahrhundert) gehört zum Museumsangebot.

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 Hans-Heinrich Rödle zeigt: Benutzen ist hier erwünscht.

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 Bettina Heisel an der Zahlentafel – nutzbar für viele Jahrgangsstufen.

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 Blick durch den großen Abakus in einen typischen Klassensaal der 1920er bis 1950er Jahre. Musizieren gehörte für Lehrer dazu.

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 In Vitrinen und an den Wänden gibt es jede Menge Infos zum Schulleben. Wechselausstellungen finden regelmäßig zu einem Thema statt.

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Gruppen-Angebote auf Anfrage Das Ottweiler Schulmuseum ist dienstags und donnerstags von 10 bis 17 Uhr, sonntags von 11 bis 17 Uhr geöffnet. Angebote für Gruppen und Schulklassen gibt es auf Anfrage unter der Telefonnummer (0 68 24) 46 49. www.schulmuseum -ottweiler.net

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