Als in Neunkirchen im Winter die Bäume wuchsen

Neunkirchen. Als es Neunkirchen nicht mehr gut ging - das Eisenwerk drohte zu sterben, unvorstellbare Arbeitsplatzverluste drohten -, da rüsteten die Stadtverwaltung und die Räte gegen eine drohende Depression auf. Dabei ging es um Stadtsanierung, um Renaturierung, Stadtentwicklungspläne und Stadtentwicklungsprogramme und ähnliche für den Laien schwer zu durchschauende Begriffe

Neunkirchen. Als es Neunkirchen nicht mehr gut ging - das Eisenwerk drohte zu sterben, unvorstellbare Arbeitsplatzverluste drohten -, da rüsteten die Stadtverwaltung und die Räte gegen eine drohende Depression auf. Dabei ging es um Stadtsanierung, um Renaturierung, Stadtentwicklungspläne und Stadtentwicklungsprogramme und ähnliche für den Laien schwer zu durchschauende Begriffe. Zu all den Maßnahmen im Hinblick auf die Erneuerung der Stadt, deren Verwirklichung viel Geld und Energie benötigte, gehörte scheinbar unscheinbar die Aktion "Es grünt so grün in Neunkirchen". Dem Fremden, dem Besucher oder dem Neu-Neunkircher werden auch in diesen Tagen die vielen Stadtbäume auffallen, da sie im winterlichen Dunst wie Skulpturen wirken oder durch die Weihnachtsbeleuchtung besonders hervorgehoben werden (siehe Hammergraben).Es war Winterzeit anno 1978 als das damalige Stadtoberhaupt Peter Neuber mit Rathausbesatzung und Stadträten beschloss, Neunkirchen zu begrünen. Warum gerade im Winter? Weil im Winter (An)Pflanzzeit ist. Wie hingezaubert tauchten in jenen trüben Tagen plötzlich im Stadtbild gestandene, fast ausgewachsene Bäume auf. "Die Stadtsanierung nimmt an mehreren Punkten zunehmend bauliche Realität an, Bäume spielen dabei eine ganz wichtige Rolle", erklärte seinerzeit Neuber. "Die jetzt zu pflanzenden Bäume haben ein Alter von acht bis zehn Jahren und einen Stammumfang von durchschnittlich 30 bis 40 Zentimeter, eine Ulme sogar von 150 Zentimeter", informierte der Verwaltungschef die staunende Öffentlichkeit. Sie erlebte dann, wie mächtige Bäume durch die Straßen gefahren und in tiefe Löcher gestellt wurden. Im Wagwiesental, in der Fußgängerzone Pasteurstraße, am Hammergraben, auf dem Unteren Markt, vor der Marienkirche, in der Bahnhof- und Wellesweilerstraße, natürlich in der Lindenallee, all über all sah man zur Winterzeit Bäume aus der Erde schießen.77 Bäume wurden in jenen Tagen angepflanzt. Das war eine Aktion, wie sie nicht jede Stadt in Deutschland in ihren Annalen festhalten kann. 140 000 D-Mark bewilligte damals der Stadtrat für eine Begrünungsaktion in der noch amtierenden "Hüttenstadt". Heute sind an allen Ecken und Wegen, auf den vielen Plätzen, die Bäume zu entdecken. Inzwischen aber, das soll nicht verschwiegen werden, werden wieder die Sägenzähne und Axtschneiden gewetzt, denn nach dem Denken der neuen Regierungshäupter im Rathaus sind es doch ein bisschen zu viel der Bäume in der Stadt. So ändern sich die Zeiten. Dennoch hat nach wie vor jener Schneidermeister in Berlin Recht, der einer Dame empfohlen hat: " Tragen Se jrün, det hebt Ihnen."

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