Als Frank Zappa enttäuschte und Gainsbourg die Puppe tanzen ließ

Saarbrücken. Es ist die Nacht des 3. Septembers 1978, die Micha Weber wohl auf ewig nachhängen wird. Frank Zappa konzertiert im Ludwigsparkstadion, stürzt sich anschließend ins Nachtleben Saarbrückens. "Es hätte ein geiles Fest werden können", sagt der 63-jährige. Nie sollte er seinem Idol so nahe kommen wie an diesem Abend - innerhalb eines Augenblicks wurde er ihm fremd

 Micha Weber in seiner Brasserie. Er wurde preußisch erzogen, aber das Französische liebt er. Foto: Dietze

Micha Weber in seiner Brasserie. Er wurde preußisch erzogen, aber das Französische liebt er. Foto: Dietze

Saarbrücken. Es ist die Nacht des 3. Septembers 1978, die Micha Weber wohl auf ewig nachhängen wird. Frank Zappa konzertiert im Ludwigsparkstadion, stürzt sich anschließend ins Nachtleben Saarbrückens. "Es hätte ein geiles Fest werden können", sagt der 63-jährige. Nie sollte er seinem Idol so nahe kommen wie an diesem Abend - innerhalb eines Augenblicks wurde er ihm fremd. Ein zugedröhnter Zappa belästigt eine Frau in Webers Brasserie. Vier Wochen zuvor hat Weber während eines New-York-Trips sein englisches Vokabular auch mit unschönen Worten gespickt - so schmeißt er den knapp zehn Jahre älteren, pöbelnden Rocker enttäuscht, aber bestimmt aus seiner Kneipe.Micha Weber steht für gelebte Gastfreundlichkeit, aber auch für deutliche Worte nach Burbacher Art. Die Siebziger sind seine goldene Zeit, das Haar schimmert heute silbern. Die Brasserie am St. Johanner Markt ist sein Lebenswerk. Seit 41 Jahren zapft er Bier am Tresen in der Fröschengasse. Jeder Quadratmeter bedeutet ein Stück Erinnerung, nicht nur die Sammlung französischer Ortsschilder markiert die Stationen in Micha Webers Leben. Ein Wasserbüffelkopf stiert gleich neben einem eisernen Taucherhelm von der Wand - Erinnerungen an Reisen durch Marokko und an Hamburg. Dort war er drei Jahre bei der Marine stationiert, dort wurde er zum Fan des Fußballclubs FC St. Pauli. Ein Barhocker mit dem Wappen des Clubs hängt von der Decke, gegenüber thront eine Büste Ludwig van Beethovens. Ein Glasauge hat der Wirt dem Metallkopf eingepflanzt, noch heute spielt er bevor die letzten Gäste die Kneipe verlassen Beethovensinfonien. "Nichts Besonderes", urteilt er über die neue David-Bowie-Platte, die gerade im Radio läuft. Seine musikalischen Helden hat er an der "Wand gegen das Vergessen" verewigt. Janis Choplin, Jimi Hendrix, John Lennon, Edith Piaf, Serge Gainsbourg. Letzterer war es wohl, der aus dem Wirt einen Frankophilen machte. Preußisch erzogen, brachte sich Micha Weber selbst die französische Sprache bei: "Poupée de cir, poupée de son", den Gewinnersong des Grand Prix de l' Eurovision 1965 wollte er verstehen.

Hans Seyler, dem Gründer der Brasserie, bei dem Weber bereits als Schüler Geld dazuverdiente, gedenkt der Wirt mit einem Foto hinter seiner Theke. "Viel zu früh ist er 1976 gestorben", erzählt Weber. Den Cocktail aus Einsamkeit und Alkohol, der vielen Gastronomen zum Verhängnis wird, ließ Micha Weber an sich vorüberziehen. "Als Wirt musst du dein Privatleben von der Arbeit trennen." Seine Kinder, 24 und 22, haben die Kneipe so selten wie nötig von innen gesehen. Der wichtigste Ausgleich zum physisch wie psychisch belastenden Beruf ist seine Familie. Und: die fünf Motorräder in seiner Garage. Zwei hat er bereits "ausgefahren" - früher auf Touren durch die Region Teheran und Australien. Heute kurvt er mit seinen Maschinen an seinem zweitliebsten Ort der Welt: den Straßen von Frankreichs Landschaften. Zu Hause aber ist er in seiner Brasserie. am Samstag, wenn die Gainsbourg-Chansons durch seine Kneipe hallen, wird es keinen Ort geben, an dem er lieber sein möchte. An der "Wand gegen das Vergessen" der Brasserie wird auch Frank Zappas Konterfei lauschen und irgendwie versöhnlich dreinsehen. dma

Heute, Samstag, 20 Uhr: Je t'aime, du mich auch - Chansons von Serge Gainsbourg mit deutschen Texten. Gerd Heger & Guido Allgaier gastieren. Eintritt frei, Hutsammlung.

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