Als die Kohle zum Erz kam

Neunkirchen · Dank eines neuen technischen Verfahrens aus England begann in den 1830er Jahren eine neue Blüte für die Neunkircher Hütte. Montanunternehmer Carl Friedrich Stumm hatte das Puddle-Verfahren aus Wales importiert.

 Auf diesem 1890 entstandenen Foto sieht man in der ersten Reihe Puddler mit ihren typischen langen Eisenstäben sowie Kohlefahrer, Schweißer und Luppenwalzer am Hochofen I des Eisenwerks Völklingen. FOTO: KESTERNICH

Auf diesem 1890 entstandenen Foto sieht man in der ersten Reihe Puddler mit ihren typischen langen Eisenstäben sowie Kohlefahrer, Schweißer und Luppenwalzer am Hochofen I des Eisenwerks Völklingen. FOTO: KESTERNICH

Ende des 18. Jahrhunderts wurde in England ein Verfahren entwickelt, das die Umwandlung des Roheisens in schmiedbares Eisen ohne den Einsatz der teuren Holzkohle ermöglichte. Nun konnte die billigere Steinkohle genutzt werden. In verschiedenen Schriften wird auf das Puddle-Verfahren auch im Neunkircher Eisenwerk verwiesen. Im Bewusstsein derer, die sich noch für die Geschichte des seit 1982 geschlossene Eisenwerkes interessieren, ist dieses historische Kapitel der Neunkircher Hüttengeschichte von großem Interesse.

Günter Haab aus Oberthal, bis zu seiner Pensionierung in der Abteilung "Hochbau " im Rathaus Neunkirchen beschäftigt, hat nun anhand von selbst gezeichneten Plänen nachvollzogen, wo genau das Puddle-Werk in Neunkirchen ab 1830 stand. Demnach befanden sich die Puddle-Öfen mit ihren charakteristischen hohen Türmen in der Nähe des Hammergrabens - hinter dem heutigen Saarpark-Center .

"Es ist nicht leicht, in wenigen Worten die Abfolge der hüttentechnischen Prozesse bei der Erzeugung des schmiedbaren Eisens durch das Puddle-Verfahren zu erklären", meint Günter Haab. Erfunden hat es der englische Unternehmer und Metallurg Henry Cort. Dabei kann die teure Holzkohle durch die billigere Steinkohle ersetzt werden. Eine enormer Effizienzgewinn, weil schon die Herstellung von Holzkohle sehr aufwändig war. Reich wurde Cort allerdings trotz seiner Patente nicht, er starb verarmt im Jahr 1800.

Laut Haab muss man sich das Puddle-Verfahren - sehr vereinfacht - so vorstellen, dass in einem Ofen beziehungsweise auf einem Herd, der mit Steinkohle befeuert wurde, das Roheisen eingeschmolzen wurde. Die Hitze wurde dabei am oberen Ende des Kamins durch eine Klappe reguliert. Das zähflüssige Eisenbad wird durch ständiges Rühren (puddeln) entkohlt. Dabei stocherte der Puddler mit einem langen Eisenstab durch eine kleine Öffnung in diesem Eisenbrei herum, und so konnte der Sauerstoff das flüssige Eisen entkohlen. Der so erhaltenen Luppe wurde in einem späteren Arbeitsgang mit einem Hammer oder der Luppenquetsche die noch vorhandene Schlacke ausgetrieben. Im Luppenwalzwerk zu Stabeisen ausgewalzt, wurden die Stäbe dann zu Paketen zusammengeschnürt, im Schweißofen erhitzt und im Schienenwalzwerk ausgewalzt. Die Fachkompetenz der Puddler sei da ganz wesentlich für die Qualität des "gefrischten" Eisens gewesen.

Montanunternehmer Carl Friedrich Stumm (1798-1848) hatte sich länger schon intensiv mit dem Puddle-Verfahren befasst. Nach einer Reise nach Wales, wo er entsprechende Anlagen besichtigt hatte, führte er es auch in Neunkirchen ein. So nahm das Eisenwerk auch dank der Kompetenz seines technischen Direktors Ferdinand Steinbeis einen weiteren wirtschaftlichen Aufschwung und machte sich fortan vor allem in der Schienenproduktion weltweit einen Namen.

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