Als der Fürst die Zeitung schuf

Es kommt nicht oft vor, dass eine Tageszeitung 250 Jahre alt wird. Eigentlich kommt es so gut wie nie vor, denn trotz der über 400-jährigen Geschichte des Mediums Zeitung haben nur ganz wenige Blätter die Zeitläufte überlebt. Die Saarbrücker Zeitung gehört dazu. Man schrieb den 24

Es kommt nicht oft vor, dass eine Tageszeitung 250 Jahre alt wird. Eigentlich kommt es so gut wie nie vor, denn trotz der über 400-jährigen Geschichte des Mediums Zeitung haben nur ganz wenige Blätter die Zeitläufte überlebt. Die Saarbrücker Zeitung gehört dazu.Man schrieb den 24. Januar des Jahres 1761, als "Seine Hochfürstliche Durchlaucht", Wilhelm Heinrich von Nassau-Saarbrücken, zu beschließen geruhte, ein "Allgemeines Wochenblatt zur Probe einführen (zu) lassen". Es war gar köstlich, was "unser gnädigst regierender Fürst und Landes Vatter" über seinen Hofschreiber namens Vogt in Form einer "Bekandtmachung" unter die Leute brachte: Durchlaucht habe "anderswo" die "Vortheile und Bequemlichkeiten" von Anzeigenblättern erfahren und wolle dies nun eben auch in Saarbrücken (und St. Johann) probieren. Dieser "lichte Punkt in einem so felsig waldigen Lande" (Dichterfürst Goethe bei einem Besuch daselbst im Jahre 1771) beherbergte damals gerade mal 3000 Personen, also nur ein paar hundert Haushalte.

Voraussetzung des innovativen Projekts war eine Druckerei, und die existierte bereits in Form der Hochfürstlichen Hof-Druckerei des 20 Jahre zuvor aus Zweibrücken zugewanderten Handwerkers Johann Mengert. Dieser schenkte den Betrieb als Hochzeitsgabe seinem Schwiegersohn Bernhard Gottfried Hofer, der damit eine rund 160 Jahre währende Dynastie begründete.

In den ersten Jahrzehnten seines Bestehens war das Nassau-Saarbrückische Wochen-Blat ein reines Anzeigenblatt, in dem "Sachen, wo man verkaufen will" und der "Wochen-Preis der Lebens-Mittel" aufgeführt waren. Vom politischen und gesellschaftlichen Leben nahm die Zeitung keine Notiz. Nicht mal der Tod des Fürsten am 24. Juli 1768 war dem Druckerzeugnis eine Zeile wert. Das putzig kleine Blättchen behielt seinen Charakter bis 1792/93, als die französische Revolutionsarmee in Saarbrücken einmarschierte. Danach durfte es ein Jahr lang nicht erscheinen - und kam 1794 als Saarbrücker Wochenblatt neu auf den Markt.

Damit begann die journalistische Karriere einer Zeitung, die einen ebenso interessanten wie turbulenten Weg nehmen sollte. Das fürstliche Wappen im Zeitungskopf war verschwunden, nun bestimmten die französischen Besatzer den Kurs. Es tauchten zunehmend politische und militärische Nachrichten auf, gespeist vom "Frankfurter Journal", dem "Trierischen Ankündiger" und vor allem der Pariser Postille "Moniteur". Entsprechend jubilierend waren die Berichte über die Großtaten Napoleons, an dessen Jahrgedächtnis "zur Krönung Sr Majestät des Kaisers" die Bewohner Saarbrückens "durch eine Salve mit grobem Geschütz und durch Läutung aller Glocken" erinnert wurden. Im Jahr 1808 wurde die Zeitung umgetauft: Erst in Saarbrücker Offizielles Intelligenzblatt, dann in Saarbrücker Intelligenzblatt. Die Franzosenzeit endete im Sommer 1815 mit Napoleons Niederlage in Waterloo, als die linksrheinischen Gebiete wieder ins preußische Reich eingegliedert wurden

Damals lenkte übrigens eine Frau die Geschicke des Verlages und der Druckerei: Nachdem der Sohn des Gründers, Christian Hofer, 1820 gestorben war, führte dessen Witwe Dorothee Katarina 20 Jahre lang das Unternehmen. Am 22. September 1836 teilte die Verlegerin "Wittwe Hofer" ihren verehrten Lesern mit, in der Zeitung "außer dem Nothwendigen auch dem Nützlichen und Angenehmen ein Plätzchen einzuräumen". Die Zeitung wurde allmählich politischer. Außerdem erschien das Blatt nun zweimal wöchentlich (montags und freitags), deshalb stieg der Preis für "die Herren Abonnenten" von 1,1/3 auf 2 Thaler. Schließlich wurde nicht nur das Format größer, sondern abermals erhielt die Zeitung einen neuen Namen: Saarbrücker Anzeiger. Auch dieser Titel währte nicht lange, 1848 wurde daraus die Saar-Zeitung. Als Redakteur installierte der nunmehrige Verleger Anton Traugott Hofer, Enkel des Gründers, den St. Wendeler Juristen Carl Winsweiler - der scharfe Töne anschlug und gleich in seinem ersten Leitartikel ein flammendes deutsch-nationales Bekenntnis abgab: "Also seien wir, was wir seit über tausend Jahren, und ehe noch an Preußen gedacht wurde, waren, Deutsche! Deutsche mit Leib und Seele! Zu Preußens und Deutschlands Heil!"

Seinen heutigen Namen bekam das Blatt 1861, genau 100 Jahre nach der Gründung. Seit dieser Zeit ist die Saarbrücker Zeitung eine "richtige" werktags erscheinende Tageszeitung im nordischen Format (das erst im Jahr 2006 durch das heutige rheinische Format abgelöst wurde). Sie war nun in der Politik angekommen, der Streit um das saarländische Industrierevier mit seinen Kohlegruben und Eisenwerken wurde schärfer. Auf französische Ansprüche reagierte die SZ mit wüster Polemik, schrieb von "Unverschämtheiten" und "deutscher Ehre", die "mit Blut wieder rein gewaschen" werden sollte. Vorboten des Krieges von 1870/71, ausgelöst durch die Emser Depesche des Königs Wilhelm I. Die einzige Schlacht auf deutscher Seite findet auf den Spicherer Höhen statt, 10 000 Soldaten werden getötet oder schwer verwundet. "Es gibt Privathäuser", berichtete die Saarbrücker Zeitung, "in der die Verwundeten zu Dutzenden liegen". Das Blatt rief die Leser zu Spenden auf, um die Gefallenen wenigstens in Särgen bestatten zu können.

Ein beeindruckendes Kapitel deutscher Pressefreiheit und demokratischer Standhaftigkeit schrieb die bislang eher deutschnational gesinnte Zeitung in den 1890er Jahren: Der legendäre Stahlbaron Freiherr von Stumm, heimlicher Herrscher des Saargebiets, Reichstagsabgeordneter und persönlicher Freund des Kaisers (Wilhelm II) wollte alle gewerkschaftlichen und sozialdemokratischen Bestrebungen an der Saar im Keim ersticken und setzte (auch) die Saarbrücker Zeitung unter Druck. So bot er der Verlegerfamilie Hofer "fünf Jahre lang 10 000 Mark", wenn sie den Chefredakteur Albert Zühlke entlasse, der Stumm ein Dorn im Auge war. Als die SZ-Verleger der Verlockung widerstanden, gründete der Multimillionär eine eigene Zeitung, die "Neue Saarbrücker Zeitung". Obendrein veranlasste er alle Hüttenwerke, Behörden und Gemeinden, ihre Druckaufträge für die SZ zu kündigen. Der Mut der Familie Hofer gilt bis heute als ein Glanzlicht der deutschen Mediengeschichte. Die Unbeugsamkeit wurde übrigens belohnt: Die Saarländer sympathisierten mit dem Freiheitswillen "ihrer" Zeitung, die Auflage stieg von 3000 (im Jahr 1894) auf stolze 12 000 im Jahr 1900. Auch die Anzeigen-Boykotteure kamen nach und nach zurück, der "Zeitungskrieg" war gewonnen.

Als die SZ bereits im Jahr 1910 (ein Jahr zu früh!) ihr 150-jähriges Bestehen feierte, war sie mit 26 500 Auflage die größte Zeitung weit und breit. Doch dann kam der Erste Weltkrieg, schließlich der unglückselige Versailler Vertrag, und wieder bestimmten Franzosen die Geschicke des "Saargebiets". Mehrfach wurde die SZ verboten, es gab Zensur, die Papier- und Farbpreise stiegen, der Verlag geriet in wirtschaftliche Not. Als der "Völkerbund", eine Art Vorläufer der Uno, eine Regierungskommission einsetzte, die der SZ das Leben schwer machte und gar Redakteure verhaften wollte, wurde es richtig ernst: Die wichtigsten Journalisten der SZ konnten zwar fliehen, aber es kam zu der bizarren Situation, dass die Saarbrücker Zeitung 1920 vier Monate lang von einer Exil-Redaktion aus einem Mannheimer Hotel geleitet wurde. Der Verleger Richard Hofer saß isoliert in Baden-Baden und gab schließlich entnervt auf: Seinen 60-prozentigen SZ-Anteil verkaufte er an die preußische Staatsgesellschaft "Konkordia". Als es in Deutschland und im Saargebiet wieder bergauf ging, stieg auch die Auflage: 1925 wurden 70 000 Exemplare gezählt. Das Unternehmen expandierte, gab Kunst- und Fachzeitschriften heraus, den "Saarkalender", Heimat-, Adress- und Wanderbücher, und kaufte zudem die Buchhandlung "Clauß" in der Eisenbahnstraße.

Dann kamen die Nazis - und übernahmen indirekt die ganze Zeitung. 1936 wurden die letzten Anteilseigner gezwungen, ihre verbliebenen 40 Prozent an die Berliner "Cautio" (später "Vera") zu verkaufen. Beide Unternehmen waren Tochtergesellschaften der reichseigenen "Konkordia". Die Redakteure wurden durch linientreue Kameraden ersetzt, das Blatt wurde "gleichgeschaltet". Auch die Leser reagierten: Die Auflage sank rapide auf nur noch 35 000. Als am 5. Oktober 1944 britische Bomber Saarbrücken in Schutt und Asche legten, war wenig später auch die Saarbrücker Zeitung am Ende.

Nach dem Krieg herrschten die Alliierten im Saargebiet, sie vergaben neue Presse-Lizenzen, und so erschien am 27. August 1945 die Neue Saarbrücker Zeitung mit der Schlagzeile: "Der Krieg ist zu Ende! - Was nun?" Abermals bestimmten die Franzosen, wo es lang geht an der Saar, an ihrer Spitze der Militär-Verwalter Gilbert Grandval. Dann wurde es unübersichtlich: Die Zeitung wurde vom Hohen Kommissariat auf die Regierung des Saarlandes übertragen, die nach der ersten Wahl von der Christlichen Volkspartei und ihrem Ministerpräsidenten Johannes Hoffmann ("Joho") geführt wurde - der von 1945 bis 1946 übrigens selbst Chefredakteur der SZ war. Das Saarland wiederum übertrug diese Anteile an den neu gegründeten Presse-Verlag Saarbrücker Zeitung GmbH, aber die Zeitung blieb praktisch im Eigentum des französischen Staates.

Im Luxemburger Vertrag zur Abwicklung der Saarfrage wurde schließlich beschlossen, die SZ treuhänderisch einem Banken-Konsortium (Saarländische Kreditbank, Landesbank und Girozentrale, Bank für Gemeinwirtschaft) anzuvertrauen, mit dem Ziel der Privatisierung. Diese erfolgte im Jahr 1970, als der Stuttgarter Verleger Georg von Holtzbrinck den Zuschlag für 49 Prozent der Anteile erhielt. Auf Beschluss des saarländischen Landtags gingen 26 Prozent der Anteile an eine gemeinnützige Fördergesellschaft, "um die Interessen des Saarlandes an seiner bedeutenden Tageszeitung mit Nachdruck vertreten zu können" (heute: Gesellschaft für staatsbürgerliche Bildung Saar aus den drei Stiftungen Union-Stiftung, Stiftung Demokratie Saar und Liberale Stiftung Villa Lessing). 15 Prozent wurden - ein bis dahin einmaliges Modell - der Belegschaft der SZ übertragen, die seitdem selbst Miteigentümerin des Verlagshauses ist. Später schieden die Banken aus, so dass Holtzbrinck nun die Mehrheit an der Saarbrücker Zeitung Verlag und Druckerei GmbH hält.

Heute ist die SZ ein modernes Medienhaus, das breit aufgestellt ist (siehe oben: Auf einen Blick). Mit einer Auflage von rund 150 000 Exemplaren wird die Saarbrücker Zeitung täglich laut Media Analyse von fast 500 000 Saarländern gelesen. Abgerundet wird die "fürstliche" Erfolgsgeschichte des Unternehmens von einem hohen nationalen Renommee, das die SZ zu einer der bedeutendsten Regionalzeitungen Deutschlands werden ließ.

Auf einen Blick

Die Saarbrücker Zeitung Verlag und Druckerei GmbH ist heute ein modernes Medienhaus. Das Unternehmen und seine Tochtergesellschaften geben folgende Tageszeitungen heraus:

gegründet 1761, Auflage: rund 150 000 Exemplare, www.saarbrücker-zeitung.de

gegründet 1713, Auflage: rund 8000 Exemplare, www.pfaelzischer-merkur.de

gegründet: 1875, Auflage: rund 95 000 Exemplare, www.volksfreund.de

gegründet: 1946, Auflage: rund 100 000 Exemplare,

Auch diese Unternehmen aus anderen Geschäftsfeldern gehören dazu:

Übersetzungs-, Dokumentations- und IT-Dienstleister

Briefdienstleister

Telefonbuchverlag

Hinzu kommen Beteiligungen an Anzeigenblättern und Radiosendern. red

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