Als das "Bier der Saar" noch aus Saarlouis kam

Sein letztes echtes Donnerbier hat Volker Felten, 51, im Jahr 1978 getrunken. Daran erinnert er sich noch. Als Ferienarbeiter in der Donnerbrauerei in Saarlouis war das. Sein Urgroßvater und sein Onkel waren in der Brauerei beschäftigt gewesen. "Ein tolles, wirklich hochwertiges Bier, das schmeckte", erinnert sich Felten

Sein letztes echtes Donnerbier hat Volker Felten, 51, im Jahr 1978 getrunken. Daran erinnert er sich noch. Als Ferienarbeiter in der Donnerbrauerei in Saarlouis war das. Sein Urgroßvater und sein Onkel waren in der Brauerei beschäftigt gewesen. "Ein tolles, wirklich hochwertiges Bier, das schmeckte", erinnert sich Felten. Er schreibt gerade an einem Buch über die Geschichte dieser Brauerei, die mit der Wirtschaftsgeschichte des gesamten Saarlandes verflochten ist. 1978 stellten die Brauer die Maschinen ab, der Betrieb endete nach 78 Jahren. Donnerbräu, erzählt Felten, konnte man noch bis in die 90er kaufen, aber in den Flaschen war Becker-Bier, "das ganz anders schmeckte." Nie hatte die Brauerei rote Zahlen geschrieben. Sie war gewachsen. Die Saarbrücker Zeitung meldete für 1976 den Rekord von gut 100 000 Hektolitern Bier. Doch man wirtschaftete inzwischen anders, Billigbiere machten Konkurrenz, und für den damaligen, letzten Eigentümer, die Becker-Brauerei in St. Ingbert, war es wohl billiger, einen großen statt einen großen und einen kleinen Standort zu betreiben. Allen gut 50 Mitarbeitern wurden laut Felten Übernahmeangebote gemacht. In den 50er Jahren hatte die Donnerbrauerei bis zu 117 Mitarbeiter beschäftigt. 1992 wurden die Gebäude abgerissen. Das letzte war das alte Sudhaus, das erst 2009 fiel. Auf dem stadtnahen Gelände entsteht derzeit ein hochwertiges Innenstadt-Wohnquartier.Felten rekonstruiert die Geschichte der Donnerbrauerei seit 2007. Das Buch soll nach den Sommerferien erscheinen. Die SZ ließ er schon jetzt ins Manuskript schauen. Felten hat gerade noch den richtigen Zeitpunkt erwischt. Denn 40 Zeitzeugen und weitere 40 Angehörige verstorbener Zeitzeugen geben ihm Auskunft, wie er berichtet. Darunter ist auch der letzte Betriebsratsvorsitzende der Brauerei. Vor allem aber gestattete ihm Niko Becker, der letzte Besitzer der Brauerei, volle Auswertung aller Firmenunterlagen. Auch die Witwe des Bruders Peter, Hilde Becker, "unterstützt mich". Peter Becker werde "von allen Zeitzeugen als feiner Kerl beschrieben, als Chef von altem Schrot und Korn." Die Zusammenarbeit trägt Früchte: Felten soll später auch die Geschichte der St. Ingberter Brauerei Becker aufarbeiten. Die war 1989 an Karlsberg übergegangen - und damit auch die Tradition der Donnerbrauerei Saarlouis. Mit "Bier der Saar", hatte bis dahin die Donner Brauerei geworben.Und so wühlt sich Felten seit Jahren durch Rechnungen, Bauzeichnungen, Korrespondenz, Archive in ganz Deutschland. Wo Rechnungen das Modell einer gekauften Brauanlage nannten, stöberte er zeitgenössische Abbildungen und Beschreibungen bei den damaligen Herstellern auf. Das Buch wird eine Fundgrube historischer Details, die bislang nirgendwo veröffentlicht sind.Gebaut wurde die erste Brauanlage 1898 bis 1900 von Oscar Tobias. Er gründete eine Aktien-Gesellschaft, deren Anteile Saarlouiser Bürger hielten. Deswegen hieß sie "Aktien-Brauerei Saarlouis". Ausgeliefert wurde in Fässern und Flaschen nur in Saarlouis und direkter Umgebung. Das blieb letztlich so; am Schluss, in den 70ern, allerdings war das Bier auch bis Perl, St. Ingbert und Saarbrücken zu bekommen.1922 wird die Geschichte typisch saarländisch. Im Versailler Vertrag von 1920 war für das Saargebiet festgelegt, dass bis 1925 Waren weitgehend zollfrei aus- und eingeführt werden konnten. Danach wurd's teuer: auch für Bier. Die Wormser Weger'sche Brauerei erkannte das. Sie kaufte 1922 die Saarlouiser Brauerei, um ein Standbein im Saargebiet zu haben. Einen Bier-Notstand an der Saar verhinderte, so Felten, dass alle Saar-Brauereien zwischen 1922 bis 1929 kräftig wuchsen. Die Saarlouiser Brauerei hatte ihren Ausstoß gegenüber dem Anfang auf 50 000 Hektoliter verfünffacht. Die Brauerei wechselte als Kunde zum Wasserwerk Wallerfangen, ließ gar eine eigene Leitung legen. Eine der Quellen des Wassers hieß Donnerborn. Um diese Zeiterst wird der Name Donnerbräu geboren. 1929 fusionierten Weger und Eichbaum (Mannheim). Zeitgeschichte findet sich da auch auf Flaschen: "Deutsch-Pilsener" steht auf einer seltenen Steingut-Flasche in Feltens privatem Donner-Museum. Felten: "Das wurde in Saarlouis um 1930 gebraut." Die Saar-Abstimmung 1935 wirft ihre Schatten voraus. Finanztechnische Gründe aber, vermutet Felten, veranlassen die Wormser Eigentümer, ihre Saarlouiser Brauerei 1938 zu verkaufen. Hintergrund: die damals neue Biersteuer. Erworben wird das Unternehmen von Otto Schmidt, Anteilseigner der Schlossbrauerei in Neunkirchen. Über ihn hat Felten bereits einen Aufsatz in "Unsere Heimat" (4/2009) vorgelegt, ein zweiter Teil wird folgen. Schmidt war ein hoch dekorierter Flieger im Ersten Weltkrieg, in derselben Einheit wie Hermann Göring. Schmidts Witwe Else, eine geborene Klett, übernahm nach dem Tod ihres Mannes 1944 die Geschäfte in Saarlouis. Felten: "Viele ältere Saarlouiser erinnern sich noch an diese bemerkenswerte Frau, die im Straßenbild auffiel." Sie starb 1965 in Stuttgart unter damals mysteriösen Umständen. Mehr darüber? "In meinem Buch und im nächsten Artikel", verspricht Felten.1954 hatte Else Schmidt die Brauerei an Peter Becker, Brauer in St. Ingbert verkauft. Ihr Vermögen hatte sie hälftig Saarlouis und Neunkirchen vermacht. "Saarlouis steckte das Geld in den Bau des städtischen Altenheims, das kürzlich an die Awo verkauft wurde. Neunkirchen gründete die Schmidt-Klett-Stiftung. Sie sollte ursprünglich Kriegsopfern helfen. Bis heute unterstützt sie Menschen in Not." Mit Becker kam die Modernisierung der 60er Jahre. Mitte der 70er wurde die seit 1900 praktizierte Abfüllung des Biers auf Fässer eingestellt. Felten berichtet, er habe das als Ferienarbeiter noch gerade so mitbekommen. Nicht mehr lang, und er trank sein letztes echtes Donnerbier. "Ein tolles, wirklich hochwertiges Bier, das schmeckte."Volker Felten

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