Alles klar im "Tanzsaal Gottes"

Völklingen · In den vergangenen Wochen wurde einiges getan im Glockenturm der Kirche St. Eligius. Gestern wurden die Arbeiten von Birgit Müller, der Sachverständigen für Glockentürme im Saarland, überprüft.

Völklingen. Sie ist gekommen, um die Damen in Gottes Tanzsaal zu begutachten. Die Glockensachverständige Birgit Müller war gestern im Glockenstuhl der Pfarrkirche St. Eligius, um dort die sechs Glocken zu überprüfen. Dabei spricht sie oft in ihrer eigenen Sprache. "Willkommen im Tanzsaal Gottes" sagt sie, als sie mit den Gemeinderatsmitgliedern Günter Reichhart und Rosemarie Gothier im Glockenstuhl ankommt. Die Glocken nennt sie "Damen".In den vergangenen Wochen und Monaten hat sich einiges getan hier oben. Ein Glockenjoch - so heißen die Tragebalken der Glocken - wurde ersetzt, drei Schlagwerke, die Antriebe der Glocken und die dazugehörige Elektro-Installation wurden erneuert. Jetzt überprüft Müller die Arbeiten, die eine Ulmer Firma ausgeführt hat. Nachdem sie die 107 Treppenstufen in den Glockenstuhl genommen hat, klettert sie in der stählernen Tragekonstruktion herum. Genau lässt sie sich von Reichhart erklären, was gemacht wurde, was neu ist. Sie ist jetzt mitten in der mechanischen Prüfung, kontrolliert zum Beispiel, ob die Kontermuttern, die verhindern sollen, dass die Haltemuttern sich lösen, fest genug angezogen wurden.

Auffällig ist, dass die Angelusglocke, die in St. Eligius auch Glocke Nummer vier oder St. Josef-Glocke heißt, jetzt von einem Holzjoch getragen wird, während die anderen fünf weiter an jeweils ein Stahljoch montiert sind. "Die Angelusglocke ist die, die am meisten geschlagen wird", informiert die Sachverständige. Der Unterschied zwischen Holz- und Stahljoch bestehe in dem Tragezapfen, der auf dem Schwinglager aufliegt und an dem das ganze Glockengewicht hängt. Bei der Angelusglocke ist das rund eine Tonne, bei der Johannesglocke, der Nummer eins im Völklinger Glockenstuhl, sind es vier Tonnen - in Ruhelage. "Wenn die Glocken schwingen, wiegt jede der Damen drei Mal so viel, deshalb müssen die Zapfen in Ordnung sein." Und weil Eisen nun einmal rostet, Holz aber nicht, sei das neue Joch widerstandsfähiger als die alten, die irgendwann ersetzt werden müssen. In ihrer eigenen Sprache sagt die humorvolle Pfälzerin: "Marmor, Stein und Eisen bricht, aber mein neues Holzjoch nicht."

30 Tonnen Gewicht

Im letzten Prüfungsschritt bekommen die Anwesenden dann einen Eindruck davon, welche Kraft hier oben auf den Kirchturm, die Glockenkonstruktion und den Dachboden wirkt. Laut wird es auch, denn jetzt werden die Glocken geläutet. Zunächst die Kleinste, die eine halbe Tonne schwere Schutzengelglocke mit der Nummer Sechs, die wenig auffällt - auch, weil sie etwas höher hängt als die anderen. Die Johannesglocke ist als letztes dran. Und spätestens jetzt fangen die Holzdielen an zu knarren, jetzt ist Bewegung im Glockenstuhl. Und es wird noch lauter, denn zum Finale schaltet Müller alle sechs Glocken auf einmal an. Insgesamt zehn Tonnen Glockenstahl sind jetzt in Bewegung. Wie wir von Gutachterin Müller gelernt haben, wirken jetzt Kräfte von gut 30 Tonnen auf die Konstruktion. Ein solch akustisches Spektakel gibt es sonst nur an hohen Feiertagen wie Weihnachten und Ostern. Und eben bei Arbeitsabnahmen im Geläut.

Jetzt geht Müller sogar in die Knie, beleuchtet mit ihrer Taschenlampe die untersten der Stahlträger, um zu sehen, ob diese noch fest sitzen. "Alles o.k.", urteilt sie anschließend. Nur Dame Nummer eins schlage auf der einen Seite leicht lauter als auf der anderen.

Zur Person

Die Glockensachverständige Birgit Müller ist zuständig für alle Glockentürme im Saarland. Insgesamt betreut sie rund 5000 Türme in den Bistümern Speyer und Trier und bei den evangelischen Kirchen Pfalz und Rheinland. Wöchentlich inspiziert sie durchschnittlich acht Türme. al

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