Alle (Bus-)Räder standen still . . .

Neunkirchen/St. Wendel. "Ich bin es wert" - umrandet von einem roten Punkt, stehen die Schlagworte des Warnstreik-Aufrufs der Gewerkschaft Verdi-Saar auf der Stirn von Kevin Bronder (21). Bronder ist Berufskraftfahrer bei der Neunkircher Verkehrs AG (NVG). Er steht seit dem frühen Montagmorgen mit seinen etwa 150 Kolleginnen und Kollegen auf dem Betriebshof der NVG

Neunkirchen/St. Wendel. "Ich bin es wert" - umrandet von einem roten Punkt, stehen die Schlagworte des Warnstreik-Aufrufs der Gewerkschaft Verdi-Saar auf der Stirn von Kevin Bronder (21). Bronder ist Berufskraftfahrer bei der Neunkircher Verkehrs AG (NVG). Er steht seit dem frühen Montagmorgen mit seinen etwa 150 Kolleginnen und Kollegen auf dem Betriebshof der NVG. Sein Bus bleibt an diesem Morgen im Depot. Die Gewerkschaft Verdi hat alle Beschäftigten der NVG und ihrer Tochterunternehmen, der Neunkircher Verkehrsdienste (NVD) sowie der Fahrzeugservice Neunkirchen GmbH (FSN) zu einem ganztägigen Warnstreik aufgerufen. Der Grund: Die laufenden Tarifverhandlungen im Verkehrsgewerbe mit den kommunalen Arbeitgebern sind nach Angaben der Gewerkschaft ins Stocken geraten. Verdi fordert einen Lohnzuschlag von sieben Prozent in diesem Jahr für die etwa 1000 Tarifbeschäftigten im saarländischen Personennahverkehr."Zu Recht", sagt dazu Busfahrer Kevin Bronder. "Mit einem Einstiegsgehalt von 1960 Euro brutto kommt man nach Abzug aller Abgaben heute nicht mehr über die Runden." Selbst die Zuschläge für Dienste zu ungünstigen Zeiten erhöhten das Gehalt nur minimal, erläutert Bronder der SZ. Mit schrillen Trillerpfeifen- und wummernden Trommelklängen ziehen er und seine Kollegen vom NVG-Gelände aus in einem Protestmarsch durch die Neunkircher Innenstadt. Ihr Ziel ist der Stummplatz.

Für die Kunden der NVG ist der Warnstreik zwar keine Katastrophe, aber dennoch ärgerlich. Nach Schätzungen der Gewerkschaft sind das immerhin etwa 35 000 Menschen. Besonders betroffen sind davon die Schüler: Sie haben oftmals keine Alternative zum Schulbus. Obwohl die NVG und die Gewerkschaft die Kunden rechtzeitig über den Streik informiert hatten, steht am Morgen eine Reihe von Schülern an den Haltestellen im Landkreis. Beispielsweise Tessa Hehl (12) und Desiree Weber (11) aus Heiligenwald an der Haltestelle am Sachsenkreuz. Per Bus kommen sie an diesem Morgen nicht zur Realschule in Illingen.

Bei der Kundgebung auf dem Stummplatz, geben die Gewerkschaftsfunktionäre dann richtig Gas. So wirft Verhandlungsführer Bernd Oleynik der Arbeitgeberseite vor, mit dem Angebot einer Lohnerhöhung von sechs Prozent bei einer Laufzeit von 36 Monaten den Arbeitnehmern eine "Mogelpackung" zu servieren. "Sechs Prozent hört sich zunächst viel an, aber bei dieser Laufzeit sind das lächerliche zwei Prozent im Jahr - viel zu wenig bei der derzeitigen Inflation von 2,3 Prozent", rechnet er vor.

Verständnis haben auch die Zaungäste der Kundgebung. Magdalena Heinrich musste zwar an diesem Morgen mit dem Auto kommen, zeigt aber große Sympathie für die Streikenden. "Die Busfahrer müssen für ihre verantwortungsvolle Arbeit auch gerecht bezahlt werden." Anders urteilt der Rentner Heinz Bäcker aus Heiligenwald. Er ist auf den Bus angewiesen und befürchtet, dass nach einem hohen Tarifabschluss sofort die Preise für die Fahrkarten steigen werden.

In der Zentrale der NVG sind auch fast alle Büros verwaist. Lediglich Geschäftsführer Pascal Koch ist im Dienst. Koch ist Mitglied der Verhandlungskommission der Arbeitgeberseite im laufenden Tarifstreit. Naturgemäß sieht er die Situation anders als die Gewerkschaft. Er bedauert, dass es nach seiner Meinung ohne Not zu dem Warnstreik gekommen ist. "Der Tarifvertrag ist erst zum 31. Januar aufgekündigt worden, und die Verhandlungen laufen erst in der zweiten Runde, für das legitime Mittel des Streiks eigentlich noch zu früh", so Koch. Die Forderungen der Gewerkschaft hält Koch für überzogen, wie das Angebot der Arbeitgeber in der nächsten Verhandlungsrunde aussehen wird, kann er noch nicht sagen.

Hintergrund

Neunkirchens Landrätin Cornelia Hoffmann-Bethscheider (SPD) will den zuständigen Kreistags-Ausschuss am 1. März über ein "Lastenheft" beschließen lassen. Darin werde erstmals im Saarland die Einhaltung von Sozialstandards für die Beschäftigten im Nahverkehr festgeschrieben, so die Gewerkschaft Verdi. Dazu zählt auch die Verpflichtung, den Tarifvertrag Nahverkehr Saarland (TV-N Saar) einzuhalten, der bei kommunalen Verkehrsbetrieben im Saarland gilt. Dies geht laut Verdi weiter als das Tariftreue-Gesetz im Saarland. red

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