Neuer Notfallplan in Lothringen Alarmzone um Cattenom wird erweitert

Saarbrücken/Metz · Bei einem AKW-GAU gelten jetzt für 109 Kommunen strikte Regeln. Die Saar-Gemeinden verteilen keine Jod-Tabletten.

 Französische Behörden haben die Alarmzone um das Atomkraftwerk Cattenom in Lothringen von zehn auf 20 Kilometer ausgeweitet.

Französische Behörden haben die Alarmzone um das Atomkraftwerk Cattenom in Lothringen von zehn auf 20 Kilometer ausgeweitet.

Foto: dpa/Christophe Karaba

Acht Jahre nach der Reaktor-Katastrophe infolge des Tsunamis in Fukushima haben die französischen Behörden die Alarmzone um das grenznahe Atomkraftwerk Cattenom in Lothringen von zehn auf 20 Kilometer ausgeweitet. Wie Medien in Lothringen berichteten, sind jetzt 71 weitere Kommunen im Tal des Flüsschens Orne neu in der Alarmzone. Das bedeutet, dass in diesen nunmehr insgesamt 109 Kommunen in der Alarmzone strikte Regeln für den Fall des Größten Anzunehmenden Unfalls (GAU) im Atomkraftwerk Cattenom gelten. Cattenom mit seinen vier Reaktorblöcken ist das nach der erzeugten Energie zweitstärkste AKW in Frankreich.

Die Vorschriften für den „plan particulier d’intervention“ (PPI), wie der Alarmplan in Frankreich genannt wird, sehen ein sofortiges Handeln der Behörden in den ersten Stunden nach der Katastrophe vor. Dazu zählt die kostenlose Abgabe von Jod-Tabletten in den Apotheken, die von den Gemeindebehörden zu regeln ist. Hochdosierte Jodtabletten, die wissenschaftlich korrekt Kaliumiodid-Tabletten heißen, sättigen nach Angaben des Bundesumweltministeriums die Schilddrüse mit nicht-radioaktivem Jod. Sie verhinderten daher, wenn sie zur rechten Zeit eingenommen würden, dass sich radioaktives Jod in der Schilddrüse ansammele („Jodblockade“). Wie die französischen Behörden weiter mitteilen, sollen sich die Bewohner im Katastrophenfall in der 20-Kilometer-Alarmzone rund um Cattenom in ihre Häuser zurückziehen, die Kinder in den Schulen lassen und Radio hören.

Zudem ist die Zone, aus der alle Bewohner rund um das als pannenanfällig bekannte AKW Cattenom im Katastrophenfall evakuiert werden, von zwei auf fünf Kilometer erweitert worden. Das betrifft jetzt zwölf Gemeinden in der unmittelbaren Umgebung des Atomkraftwerks, das 1986 in Betrieb ging und nach den derzeitigen Plänen des französischen Staats, der Hauptanteilseigner des Betreibers EdF ist, noch bis 2046 weitergehen soll. Patrick Abate, Bürgermeister des Dorfes Talange, das in der 20-Kilometer-Alarmzone liegt, sagte der Zeitung „Républicain Lorrain“: „Ich bin sehr gelassen.“ Dass die Alarmzone auf 20 Kilometer ausgeweitet werde, bedeute nicht, dass die Risiken, die vom AKW Cattenom ausgingen, größer geworden seien. Das französiche System der AKW-Sicherheit befinde sich auf dem höchsten Niveau. Der Betreiber EdF arbeite transparent. Und es sei wichtig, dass dieser in öffentlicher Hand sei, sagte Abate.

Der neue Alarmplan in Lothringen habe keine unmittelbaren Auswirkungen auf das Saarland, erklärte Selina Maschlanka, Sprecherin von Saar-Innenminister Klaus Bouillon (CDU), der SZ auf Anfrage. Es gebe grenzüberschreitende Arbeitsgruppen, in denen der jeweilige Informations- und Erfahrungsaustausch im Vordergrund stünde mit dem Ziel, die Zusammenarbeit aller betroffenen Grenzländer zu stärken. Es gebe Arbeitsgruppensitzungen der Deutsch-Französischen Kommission für die Sicherheit kerntechnischer Einrichtungen (DFK) und die ständige Kontaktgruppe „GT frontalier“ zu Notfallschutz in der Umgebung des AKW Cattenom. „Die Evakuierungsplanungen sehen im Saarland die Vorplanung einer Evakuierung im 25-Kilometer-Radius um das Kernkraftwerk Cattenom vor. In den betroffenen Landkreisen Merzig-Wadern und Saarlouis sind entsprechende Planungen vorbereitet“, sagte Maschlanka.

Das Saarland sei von der Schutzmaßnahme „Jodblockade“ in Bezug auf den betroffenen Personenkreis (Personen bis 45 Jahre) von dem Kernkraftwerk Cattenom in Gänze betroffen. „Jodtabletten sind in ausreichender Anzahl verfügbar“, sagte die Sprecherin des Innenministers. Hinsichtlich der Bevorratung und Verteilung von Jodtabletten sei seitens der Strahlenschutzkommission eine dezentrale Lagerung in den Gemeinden, die bis zu 25 Kilometer vom AKW Cattenom entfernt liegen, empfohlen worden. Die Verteilung an die Bevölkerung geschehe dann „ereignisabhängig“. Womit das Saar-Innenministerium im besten Behördendeutsch den Katastrophenfall meint.

Die Jodtabletten seien kostenlos. Eine Vorverteilung an die Haushalte über Apotheken werde seitens der Strahlenschutzkommission in den für das Saarland geltenden Planungsradien nicht empfohlen und deshalb auch nicht praktiziert, betonte Maschlanka. Das Bundesumweltministerium gibt noch den Zusatz-Tipp, dass man die Jodtabletten bereits rezeptfrei in Apotheken kaufen könne. Für Saarländer, die der Sicherheit des AKW Cattenom misstrauen, ein guter Hinweis.

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