Annegret Kramp-Karrenbauer Und plötzlich schaut die Welt auf Püttlingen

Saarbrücken/Püttlingen · Lange war das Saarland für Journalisten von weiter her ein weißer Fleck auf der Landkarte. Das ändert sich gerade. Der Grund heißt „AKK“.

  Püttlingen von oben, links der Köllertaler Dom. Annegret Kramp-Karrenbauer wuchs im katholischen Milieu der Stadt auf und begann dort ihre politische Karriere. Jetzt will sie CDU-Chefin werden.

Püttlingen von oben, links der Köllertaler Dom. Annegret Kramp-Karrenbauer wuchs im katholischen Milieu der Stadt auf und begann dort ihre politische Karriere. Jetzt will sie CDU-Chefin werden.

Foto: Becker&Bredel

Die Küche im Hause Kramp-Karrenbauer in der Püttlinger Straße Am Heidknüppel muss man sich in diesen Wochen als einen wichtigen Ort der politischen Kommunikation vorstellen. Führende Journalisten der Republik saßen dort schon mit Helmut Karrenbauer und politischen Weggefährten der vielleicht nächsten CDU-Vorsitzenden und Kanzlerin am Tisch, um herauszufinden, wie die Hausherrin so tickt.

Mit den Ambitionen von Annegret Kramp-Karrenbauer wird das Saarland für nationale und sogar internationale Medien interessant. Journalisten aus den USA, den Niederlanden, Finnland oder Polen fragten den Sprecher der Saar-CDU, Manuel Kerber, ob er ihnen nicht einen Kontakt zu alten Weggefährten vermitteln könne, oder erkundigten sich nach ihrer früheren Schule. Just gestern schickte das schwedische Fernsehen einen Korrespondenten ins Saarland.

Auch die internationale Presse entdeckt ihr Interesse am Saarland. Die „New York Times“ und die „Financial Times“ erkundigten sich telefonisch im Saarland nach der früheren Ministerpräsidentin, die „Washington Post“ schickte kürzlich sogar zwei Korrespondenten in die „winzige Westregion“ und in Kramp-Karrenbauers Heimatstadt Püttlingen. Dort spürten die Journalisten für ein großes AKK-Porträt unter anderem ihren Bruder Hans-Günter und den langjährigen Bürgermeister Rudolf Müller auf.

Dass es ein vergleichbares Interesse am Saarland gab, ist Jahrzehnte her. Damals war selbst der Blinddarm des Saarbrücker Oberbürgermeisters bundesweiten Medien eine Schlagzeile wert. Als nämlich jener OB, Oskar Lafontaine, irgendwann zwischen 1976 und 1985 unters Messer musste, bestellte die Zentrale der Nachrichtenagentur AP beim Saarland-Korrespondenten Michael Kuderna eine Meldung – weil Lafontaine bundesweit als kommender Mann der SPD angesehen wurde.

Zu den Pressekonferenzen Lafontaines als Saar-Ministerpräsident flogen regelmäßig auch Korrespondenten der großen deutschen Medien nach Saarbrücken ein. „Das lag an der Person Lafontaine“, sagt Kuderna, der von 1991 bis 2017 Vorsitzender der Landespressekonferenz war. Er teilte gnadenlos aus, auch gegen die eigenen Genossen, vertrat Thesen, die nicht allen in der Partei gefielen und pflegte einen, sagen wir, unkonventionellen Lebensstil: Die Etablissements, in denen Lafontaine als OB nachts verkehrt haben soll, waren dank der Recherchen von „Spiegel“ und anderen Medien schnell weit über das Saarland hinaus bekannt.

Es folgte eine Phase, in der das Saarland in den 2000er Jahren für nationale und internationale Medien ein weißer Fleck auf der Landkarte war. Die Deutsche Presse-Agentur (dpa), die vor Jahrzehnten noch mit mehreren Korrespondenten von Saarbrücken aus die Republik mit Nachrichten aus dem Saarland versorgte, gab ihr Büro auf. In den großen Nachrichtensendungen tauchte das Saarland vorwiegend als Flächenmaß für Ölteppiche und Waldbrände auf. Im ZDF kam das Saarland über Jahre hinweg so wenig vor, dass Landespolitiker sich (erfolgreich) dafür einsetzten, dass der Sender zumindest einen Krimi hierzulande dreht.

Dabei mag auch der zunehmende wirtschaftliche Druck auf den Verlagshäusern eine Rolle spielen, die sich eine Präsenz im kleinen Saarland einfach nicht mehr leisten wollten. Außer mit dem Ende des Bergbaus, dem plötzlichen Aus der Jamaika-Koalition und einem Innenminister, der sein Büro wochenlang in einen Container der Landesaufnahmestelle verlegte, fand das Saarland bundesweit kaum Beachtung. Am ehesten bequemten sich Journalisten der großen Medien noch wegen der Familie Lafontaine/Wagenknecht her, im „Spiegel“ verarbeitete ein Autor eine Radtour mit Sahra Wagenknecht über den Saargau mal zu einer länglichen Reportage.

Nun also nicht Silwingen, sondern Püttlingen. Ein „Bunte“-Autor begab sich für ein Buch, das er über Kramp-Karrenbauer schrieb, sogar auf die Suche nach ihrem Frisör Eric Althaus. Der verriet der Öffentlichkeit in dem Interview, dass er AKK die Haare im Sommer „schön goldbraun“ und im Winter mit einem Kupferton färbe.

Bei der Landtagswahl 2017 gab Annegret Kramp-Karrenbauer in Püttlingen ihre Stimme ab.

Bei der Landtagswahl 2017 gab Annegret Kramp-Karrenbauer in Püttlingen ihre Stimme ab.

Foto: dpa/Arne Dedert
Zuletzt stand das Saarland im medialen Fokus, als Oskar Lafontaine SPD-Chef war. Unvergessen ist dieses Treffen 1997 mit seinem niedersächsischen Amtskollegen Gerhard Schröder und den Ehefrauen an der Saarschleife.

Zuletzt stand das Saarland im medialen Fokus, als Oskar Lafontaine SPD-Chef war. Unvergessen ist dieses Treffen 1997 mit seinem niedersächsischen Amtskollegen Gerhard Schröder und den Ehefrauen an der Saarschleife.

Foto: dpa/Oliver Berg

Solche Nebensächlichkeiten interessieren die Weltpresse nicht. Was dann? Angesichts der wirtschaftlichen und politischen Bedeutung Deutschlands sei jeder seriöse Kandidat fürs Kanzleramt für die Leser des Blattes von Interesse, sagte Griff Witte, Leiter des Berliner Büros der „Washington Post“. Nach 13 Jahren Angela Merkel herrsche Neugier, wer ihr nachfolgt. „AKK ist von besonderem Interesse, weil sie Merkels Wahl als Nachfolgerin zu sein scheint“, sagt Witte. Er sei ins Saarland gekommen, um herauszufinden, ob Kramp-Karrenbauer Kontinuität verkörpere oder ob sie Deutschland in eine neue Richtung führen würde. Auch die „New York Times“ treibt diese Frage um. Korrespondent Christopher F. Schuetze fand heraus, dass AKK keine „Mini-Merkel“ sei, sondern eine eigene Persönlichkeit. Aber er sagt auch: „Ich glaube, wenn Friedrich Merz Anfang Dezember zum Parteivorsitzenden gewählt wird, wird AKK von der internationalen Presse schnell vergessen.“

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