Parteiausschluss des AfD-Landesvorsitzenden? Dörr und die verschmähte Liebe der „Agenten“

Saarbrücken · AfD-Chef Gauland will den Parteiausschluss des Landesvorsitzenden Dörr prüfen. Es geht um heikle Kontakte zu einer radikalen Splittergruppe.

 Der AfD-Landesvorsitzende Josef Dörr bezeichnet die Vorwürfe gegen ihn als „Unfug“. Es gehe nur darum, ihm zu schaden.

Der AfD-Landesvorsitzende Josef Dörr bezeichnet die Vorwürfe gegen ihn als „Unfug“. Es gehe nur darum, ihm zu schaden.

Foto: BeckerBredel

Die Vorwürfe sind nicht neu, aber sie könnten dem AfD-Landesvorsitzenden Josef Dörr zum Verhängnis werden. Es geht um seinen Besuch bei der Freien Bürger-Union (FBU) am 22. Juli 2015 im Ensdorfer Bergmannsheim. Die FBU ist eine Splitterpartei, deren maßgebliche Protagonisten nach Erkenntnissen des saarländischen Verfassungsschutzes aktuelle oder ehemalige NPD-Kader sind. Dörr ging in diesem Kreis auf Werbetour. Zwei einschlägig bekannte NPD-Mitglieder und der FBU-Geschäftsführer bestätigen das in eidesstattlichen Versicherungen, die der SZ vorliegen. Doch Dörr will nicht gewusst haben, mit wem er es im Bergmannsheim zu tun hat. Er spricht von „Agenten“.

Dem AfD-Bundesvorstand wurden die eidesstattlichen Versicherungen nach SZ-Informationen schon vor Monaten zugespielt. AfD-Chef Alexander Gauland sagte der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ nun: „Wenn diese Vorwürfe stimmen, dann ist völlig klar, dass gegen Herrn Dörr ein Parteiausschlussverfahren angestrengt werden muss.“ Allerdings scheint Gauland schlecht informiert: Ein solches Verfahren gibt es bereits seit 2016, es ist beim Landesschiedsgericht Nordrhein-Westfalen anhängig. Man gehe davon aus, dass dem Gericht „alle relevanten Unterlagen“ vorliegen, erklärte ein Sprecher der Bundespartei auf die Frage nach den eidesstattlichen Versicherungen.

Josef Dörr sagte der SZ, Gauland wisse genau, dass die Vorwürfe nicht stimmen. „Das ist doch lächerlich. Das ist vier Jahre her. Wer das jetzt hervorzaubert, der macht das nur, um mir zu schaden, und nicht, um irgendetwas aufzuklären.“

Im Einzelnen: Harry Kirsch, seit vielen Jahren eine Größe im rechtsextremen Milieu, versichert eides­stattlich, Dörr habe an jenem 22. Juli 2015 „offensiv für eine Mitgliedschaft in der AfD geworben“ – und zwar für  eine Doppelmitgliedschaft in FBU und AfD (was satzungswidrig wäre). Als Beitrag seien 2,50 Euro verlangt worden, unabhängig vom Einkommen. Weiter schreibt Kirsch: „Josef Dörr kennt mich seit langem und weiß, dass ich NPD-Mitglied bin. Ich habe den Mitgliedsantrag unterschrieben und Josef Dörr mitgegeben. Ungefähr 15 Anwesende haben seinerzeit ebenfalls den Mitgliedsantrag unterzeichnet, da durch Josef Dörr zugesichert wurde, wenn die NPD-Mitgliedschaft nicht im Aufnahmeantrag erwähnt werde, würde auch niemand mehr nachfragen.“ Fast wortgleich schildert der NPD-Politiker Otfried Best den Verlauf der Versammlung. Beide erhielten im Nachhinein eine Absage. FBU-Geschäftsführer Axel Enders erläutert in seiner eidesstattlichen Versicherung, Dörr habe ausgefüllte AfD-Aufnahmeanträge von Gästen aus den Reihen der NPD kommentarlos entgegengenommen.

Zu jeder dieser Schilderungen liefert Dörr eine Widerrede. „Völliger Unfug“ seien die Vorwürfe. „Ich bin dorthin gegangen, weil ich gedacht habe, das ist eine freie Wählergemeinschaft. Ich habe gedacht, die sind uns unter Umständen nahe. Ich muss gestehen, dass mir auf Anhieb nicht aufgefallen ist, was das für Leute sind.“ Kirsch habe er vorher nur einmal gesehen, aber nicht gekannt, Best ebenfalls nicht. Als klar gewesen sei, um wen es sich handelt, seien die Mitgliedsanträge abgelehnt worden. „Das sind zurückgewiesene Liebhaber, sonst würden die nicht so ein Zeug schreiben. (...) Die lügen wie gedruckt.“ Auch die Zahl 15 könne nicht stimmen. Höchstens ein halbes Dutzend habe Anträge ausgefüllt.

Die Angaben in den eidesstattlichen Versicherungen decken sich mit der Schilderung eines ehemaligen AfD-Landesvorstandsmitglieds, das Dörr damals zu der FBU-Versammlung begleitet hatte. Dieser Mann schilderte die Details dem AfD-Bundesvorstand schon am 14. Oktober 2015 detailliert. Als ihm bei der Versammlung klar geworden sei, was die FBU ist, habe Dörr ihn beruhigen wollen: „Ich solle mich nicht aufregen, wenn ich nicht da wäre, dann wüsste ich nichts davon.“ Dieses frühere Vorstandsmitglied ist heute wieder in der CDU. Für Dörr ein „Agent“.

Das Treffen in Ensdorf war einer der Gründe, warum der damalige AfD-Bundesvorstand um Frauke Petry Dörr loswerden werde. Gegen ihn und seinen damaligen Vize Lutz Hecker, der ebenfalls in Ensdorf dabei war, wurden Ausschlussanträge gestellt (der gegen Hecker wurde 2017 zurückgenommen). Der Landesverband wurde aufgelöst, doch weil der Landesvorstand sich zur Wehr setzte, landete die Sache vor dem Bundesschiedsgericht. Das Gericht verwarf zwar die Auflösung des Landesverbandes, war allerdings überzeugt, dass Dörr den FBU-Mitgliedern satzungswidrige Doppelmitgliedschaften, möglicherweise zu einem reduzierten Beitragssatz, ermöglichen wollte: „Josef Dörr war sich hierbei bewusst, dass sich unter den Mitgliedern der FBU auch ehemalige Mitglieder der NPD und überzeugte Rechtsextremisten befinden, und nahm zumindest billigend in Kauf, dass diese Mitglied der AfD würden“, stellte der Vizepräsident des Gerichts am 18. November 2016 fest.

Warum aber? Eine Nähe zur NPD sagen Dörr nicht einmal seine politischen Gegner nach. Dörr ist ideologisch flexibel, er war lange bei der CDU und den Grünen. Kurz bevor er zur AfD stieß, diente er sich nach eigener Darstellung auch mal der Linksfraktion als Berater an.

Dörr, davon war das Gericht überzeugt, wollte die Mitgliederzahl im Saarland möglichst schnell steigern, um seine Machtstellung zu festigen. Das Schiedsgericht fasste zusammen: „Hätte es einen entsprechend mitgliederstarken – ideologisch unbescholtenen – Taubenzüchterverein gegeben, der Interesse an einer politischen Vereinnahmung geäußert hätte, hätte Josef Dörr wohl in gleicher Weise versucht, diesen für die AfD zu vereinnahmen.“

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort