Ärzte beklagen NachwuchsmangelDie neue ärztliche Vergütung

Saarbrücken. "Ich sehe die Zukunft der freiberuflichen, niedergelassenen Fachärzte negativ." Dirk Jesinghaus, der Chef des saarländischen Fachärzte-Forums, zeigte sich am Samstag beim 3. Saarländischen Fachärztetag pessimistisch. Schieflagen im Honorarsystem, ausufernder Verwaltungsaufwand und Demotivation in den Praxen - all das beschäftigt die Fachärzte

Saarbrücken. "Ich sehe die Zukunft der freiberuflichen, niedergelassenen Fachärzte negativ." Dirk Jesinghaus, der Chef des saarländischen Fachärzte-Forums, zeigte sich am Samstag beim 3. Saarländischen Fachärztetag pessimistisch. Schieflagen im Honorarsystem, ausufernder Verwaltungsaufwand und Demotivation in den Praxen - all das beschäftigt die Fachärzte. "Anstatt zu jammern, müssen wir aber versuchen, das Positive möglich zu machen", so Jesinghaus. Wie das gehen könnte, versuchten etwa 130 Mediziner im Saarbrücker Schloss zu klären.

Jesinghaus: "Patienten wollen den frei ausgewählten Facharzt ihres Vertrauens und nicht in einer Klinikambulanz nach langer Warteschlange den ständig wechselnden Doktor im Schichtdienst." Gäbe es den freiberuflichen Arzt nicht mehr, ginge auch das hohe Versorgungsniveau verloren.

Hoffnung macht den Ärzten, dass durch immer mehr ältere Menschen auch immer mehr Arbeit auf sie zukommt. Der Gesundheitssektor sei ein Wachstumsmarkt, sagte Claus Mertz, Fortbildungsbeauftragter des Facharztforums. Positiv für die Ärzte ist das angesichts der Konkurrenz etwa durch medizinische Versorgungszentren, denen mehr Geld und Möglichkeiten zur Verfügung stehen. Zum Überleben seien aber neue Praxismodelle nötig. Etwa eines, bei dem sich etwa alle Orthopäden in landesweiten Zentren zusammenschließen. In den täglich 24 Stunden geöffneten Zentren wäre Schichtdienst ebenso möglich wie eine klare Arbeitsteilung zwischen Büro- und Behandlungspart. Jesinghaus ist aber gegen solche Lösungen, wenn der Betreiber kein Arzt ist. Dann bestünde die Gefahr, dass der Profit im Mittelpunkt steht.

Begegnen müsse man auch dem Nachwuchsmangel. Nur sechs von zehn Medizinstudenten im Saarland landen laut Jesinghaus in der Versorgung. Die meisten Jung-Doktoren ziehe es wegen geregelter Arbeitszeiten und besserer Bezahlung in medizinferne Jobs. Gerade Fachärzte gingen auch oft ins besser bezahlende Ausland - Tendenz steigend. Der Nachwuchs scheue zudem die Freiberuflichkeit.

Saar-Gesundheitsminister Gerhard Vigener (CDU) räumte ein, dass beim Honorarsystem "Verwerfungen repariert werden müssen". Als aus ihrer Sicht faireres System hatten die Fach- und Hausärzte vorige Woche ein Erstattungsmodell vorgeschlagen, bei dem erst der Patient zahlt und sich das Geld dann von der Kasse zurückholt. Vigener sagte, man sollte über eine Einführung dieses Modells auf Bundesebene nachdenken. Wegweisend sei die Bundestagswahl im Herbst. Diese wie auch die Landtagswahl möchten die Orthopäden und Unfallchirurgen aktiv beeinflussen. Deren Landeschef Gerd Lanzer sagte: "Wir werden den Patienten empfehlen, die FDP zu wählen. Gleichzeitig erklären wir, welche Restriktionen die Wahl der anderen Parteien mit sich brächte." 40 000 "Aufklärungsflyer" würden unter den Ärzten gerade verteilt. Man wolle die Patienten aber nur auf Nachfrage zur Wahl beraten. Saarbrücken. Die neue Honorar-Reform für Ärzte ist so kompliziert, dass selbst Experten sie kaum verstehen. Sie wurde von einem Bewertungsausschuss (aus Kassen- und Ärzteverbänden) erarbeitet und fundiert auf einem Punktesystem (jeder Punkt ist 3,5 Cent wert) sowie auf "Fallwerten" (durchschnittlicher Wert eines Behandlungsfalls). Die Fallwerte unterscheiden sich deutlich nach Fachrichtung: So beträgt der Fallwert eines Frauenarztes 18,35 Euro, der eines HNO-Arztes indes 33,48 Euro.

Die insgesamt vorhandene Geldmenge (30 Milliarden Euro pro Jahr für 149 000 niedergelassene Ärzte und Therapeuten) wird nach einem "einheitlichen Bewertungsmaßstab" (EBM) verteilt. Dieser orientiert sich an drei Leistungsbereichen: dem Regelleistungsvolumen RLV (macht 95 Prozent aus), den "einzelnen Leistungen" (Vorsorge, Ambulante OP) und den "freien Leistungen" wie Akupunktur, Schmerztherapie. Für jede Leistung gibt es Punkte, für eine sonographische Untersuchung von Uro-Genital-Organen mittels B-Mode-Verfahren sind 245 Punkte veranschlagt, das macht genau 8,58 Euro. Ein Krankenbesuch bringt 440 Punkte, also 15,40 Euro.

Noch komplizierter wird das System durch Fallwertzuschläge für bestimmte Leistungen. Und durch die Tatsache, dass Leistungen nur bis zu einer festgelegten Grenze abgerechnet werden können. Was darüber liegt, wird mit abgestaffelten Punktwerten vergütet - es sei denn, die Praxis hat ihr RLV nicht ausgeschöpft. . . bb

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