Ach ja, die Katzensteins . . .

Brebach · Der Brebacher Stadtteilmanager Manfred Hahn hat die Geschichte der Familie Katzenstein weiterverfolgt – mit Hilfe aus der Bevölkerung und einer merkwürdigen Akte aus dem Landesarchiv.

 Das Bild entstand vor dem Brebacher Kaufhaus Bodenheimer in der Poststraße 4. Das Foto ist aus dem Buch „Brebach in alten Ansichten“. Foto: Brebacher Geschichtswerkstatt

Das Bild entstand vor dem Brebacher Kaufhaus Bodenheimer in der Poststraße 4. Das Foto ist aus dem Buch „Brebach in alten Ansichten“. Foto: Brebacher Geschichtswerkstatt

Foto: Brebacher Geschichtswerkstatt

Klaire Katzenstein - als der Brebacher Stadtteilmanager Manfred Hahn im Internet auf eine Todesanzeige aus dem Jahr 1944 mit diesem Namen gestoßen ist, ahnte er nicht, was für eine Geschichte sich dahinter verbergen sollte. Eine Brebacher Geschichte, die zeigt, dass auch "freundliche Leute" in Todesgefahr geraten, weil die einen Menschen einer Ideologie folgen und sich nur wenige gegen die Masse zu stellen wagen. Aber auch eine Geschichte von mutigen Menschen. Eine Geschichte von Bürokraten und von alten Leuten, die nie vergessen werden.

Mitte März veröffentlichte die SZ das, was Manfred Hahn bis dahin herausgefunden hatte, über die Brebacher Jüdin Klaire Katzenstein, die über England nach New York geflohen und dort noch vor Ende des Kriegs gestorben war. Klara, wie Klaire früher genannt wurde, wurde am 15. Juni 1890 als zweites Kind des Ehepaars Bodenheimer in Brebach geboren. Sie heiratete Max Katzenstein, bekam zwei Kinder. Zusammen mit ihrem Mann betrieb sie eine Manufakturwarenhandlung in der Saarbrücker Straße 63, später im Hause Brandenburger, Ecke Saarbrücker Straße/Johannisstraße.

Aufgrund der Zeitungsgeschichte meldeten sich einige Menschen bei Hahn und in der SZ-Redaktion. Sie erzählten davon, dass die Katzensteins den Kindern in der Nachbarschaft zum Schulanfang, zur Kommunion oder zur Konfirmation Schuhe schenkten. Dass, wer kein Geld hatte, trotzdem etwas bekam im Laden. Und dass der mutige Schreiner Zingraf die Tür zuhielt, als die Nazis sich in der Pogromnacht die Katzensteins schnappen wollten.

An dem Tag, als der Name Klaire Katzenstein in der Zeitung stand, hat eine Großmutter mit ihren Enkeln zum ersten Mal über diese Reichspogromnacht im November 1938 gesprochen. Und weil das alles zu ungeheuerlich klang, so unglaublich, haben die Enkel gleich im Internet nachgeschaut, was denn damals los war. "Das, was die Geschichte von Klaire Katzenstein ausgelöst hat, ist wunderbar", sagt Manfred Hahn.

Was er selbst inzwischen noch herausgefunden hat, ist dagegen alles andere als wunderbar. Manfred Hahn ist im Landesarchiv auf eine etwa fünf Zentimeter dicke Akte gestoßen, in der die Unterlagen zum Antrag auf Entschädigung des Katzenstein-Sohns Marcus liegen. Wie seine Eltern und Großeltern hatte Marcus Katzenstein ein Geschäft - und durch den Naziterror alles verloren. Das war unstrittig. Die damalige saarländische Regierung hat im März 1951 eine Entschädigung dennoch abgelehnt. "Mit einer abenteuerlichen Begründung", wie Hahn meint. Dass Marcus Katzenstein von seiner Geburt bis zur Flucht 1938 in Brebach gewohnt hatte, reichte den Behörden nicht aus. Entschädigung bekomme nur, wer die "saarländische Staatsangehörigkeit" besitze. Um die zu haben, hätte Katzenstein zum Inkrafttreten des Staatsangehörigkeitsgesetzes 1948 im Saarland leben müssen. "Man hat also allen Ernstes von diesen Menschen erwartet, dass sie nur wenige Jahre nach allem, was passiert ist, zurückkommen", sagt Hahn und stellt fest: "Das ist verrückt."

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