Ach, hätte sie doch nur mit ihr geredet

Theas Patenkind hat Geburtstag. Meine beste Freundin bemüht sich um ein Präsent.

"Bemüht sich", trifft es. Sagt mein Kumpel Tobi. Mit negativem Unterton. So, wie niemand auf seinem Grabstein stehen haben möchte: "Bemühte sich."

Klingt wie: "Gab alles. Bekam's aber nie hin." Wie Theas Bemühungen ums passende Geschenk für ihre Nichte.

Tobi schlägt vor, sich beim Geburtstagskind zu erkundigen. "Warum?", entgegnet Thea entgeistert, als rate er, den Papst zu konsultieren. "Weil ich mich an die Geschenke meiner unseligen Sippschaft erinnere, die immer auf einer mit mir nicht abgesprochenen fixen Idee fußten", lamentiert er mit Zornesröte.

Ein traumatisches Erlebnis holt ihn ein: Er 14, in voller Blüte seiner Pubertät. Mit Zahnspange, was es ihm nicht leicht machte, Punkte beim Klassenschwarm zu sammeln. Sein Äußeres litt immens unter dem silbrigen Gestell in der Gesichtsmitte. Nicht genug der Schmach. Zum 15. Geburtstag trudelte wie alljährlich ein Päckchen ein. Vom Onkel. Tobi riss es auf. Traute seinen Augen nicht, was zum Vorschein kam: ein Anzug. Beige. Material: Cord. Robust. Strapazierfähig. Jedem Trend abgeschworen. Und das für einen jeansverliebten Teenie.

Was um alles in der Welt hatte sich sein Pate dabei gedacht? Tobis Mama kannte kein Erbarmen. Viel zu schade, das Teil im Kleiderschrank vergammeln zu lassen. Tobi musste den Zwirn tragen. In der Schule. Da half kein trotziges "Nei-jen". Dies tat Mutter mit verhohnepipelndem "Do-hoch" ab. Zahnspange plus Männerkomplet: Schuljunge Tobi schlug bei seinen Klassenkameradinnen ein wie eine Bombe. Auf dem Weg zur Lehranstalt gab Tobi alles, dem verhassten Stück den Rest zu geben: Stürze auf die Knie, die diesen zusetzten, nicht aber der Körperhülle aus Stoff.

"Und sowas willst Du Deinem Patenkind antun?", fragt er Thea vorwurfsvoll. "Um Gottes Willen, nein", wehrt sie sich heftig kopfschüttelnd gegen diese infame Unterstellung - und schiebt klammheimlich hinter ihrem Rücken ein weißgerüschtes, wallendes Blümchenkleid beiseite. Zweifelsohne: Das wäre der einzige Grund, straffrei übers Meucheln der Verwandten nachzudenken und deshalb auch noch für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen zu werden.

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