Gymnasiale Oberstufe Abiturienten bekommen mehr Auswahl

Saarbrücken · Eltern, Lehrer, Wirtschaft und Hochschulen drängen seit Jahren auf eine Fächer-Reform der gymnasialen Oberstufe. Noch in diesem Jahr soll eine Verordnung wesentliche Änderungen des Jahres 2007 wieder rückgängig machen.

 Schüler im Saarland sollen eine größere Auswahl für die Wahl ihrer Abitur-Prüfungsfächer bekommen. Eine weitere Änderung: Sind sie in einer schriftlichen Prüfung vier Punkte schlechter als in den vier Halbjahren zuvor, müssen sie künftig eine zusätzliche mündliche Prüfung ablegen.

Schüler im Saarland sollen eine größere Auswahl für die Wahl ihrer Abitur-Prüfungsfächer bekommen. Eine weitere Änderung: Sind sie in einer schriftlichen Prüfung vier Punkte schlechter als in den vier Halbjahren zuvor, müssen sie künftig eine zusätzliche mündliche Prüfung ablegen.

Foto: dpa/Federico Gambarini

Mathematik, Deutsch und eine Fremdsprache – mehr Auswahl als aus diesen drei Kernfächern haben saarländische Oberstufenschüler derzeit nicht, wenn sie ihre zwei Erweiterungskurse (E-Kurse) wählen müssen. Diese werden in fünf Stunden pro Woche und mit erhöhten Anforderungen unterrichtet, alle anderen Fächer als Grundkurse (G-Kurse) jeweils vier- oder zweistündig.

Die seit der Oberstufenreform 2007 so geringe Fächer-Auswahl stößt seit Jahren bei Schülern, Eltern und Lehrern auf Kritik. Auch Wirtschaftsvertreter und Hochschulen hatten bei einer SPD-internen Anhörung bemängelt, dass so eine vertiefte fachspezifische Vorbereitung auf ein Studium oder eine Ausbildung erschwert werde. Bildungsminister Ulrich Commerçon (SPD) hatte bereits im September 2015 eingeräumt: „Eine Nachsteuerung ist notwendig.“

Im Februar konnten sich die Koalitionspartner CDU und SPD – wohl wahlkampfbedingt – nicht auf eine Reform einigen, die von beiden Fraktionen als nötig erachtet wird.

Jetzt scheint es Bewegung zu geben. „Geplant ist, die Verordnung zur Gymnasialen Oberstufe (GOS) in diesem Jahr zu ändern“, teilt das Bildungsministerium auf SZ-Anfrage mit. Um Schüler besser auf ein spezielles Studium oder einen Beruf vorzubereiten, sollen auch Biologie, Chemie und Physik, Politik, Erdkunde und Geschichte und – je nach Schulprofil – auch Informatik, Kunst, Sport und Musik als E-Kurse gewählt werden können. Neu ist, dass auch zwei Fremdsprachen als Prüfungsfächer möglich werden.

Von den fünf Abitur-Prüfungen (vier schriftliche, eine mündliche) in den beiden E-Kursen und in drei weiteren Fächern müssen bisher drei Prüfungen in den Kernfächern Mathe, Deutsch und einer Fremdsprache abgelegt werden. Geplant ist, dass künftig nur noch mindestens zwei Kernfächer gewählt werden müssen. Wählt ein Schüler Biologie als Prüfungsfach, gilt der naturwissenschaftliche Bereich als abgedeckt, er muss also keine Prüfung mehr in Mathe ablegen. Ab dem Schuljahr 2018/19 sollen den Zehntklässlern an Gymnasien sowie den Elftklässlern an Gemeinschaftsschulen und beruflichen Schulen die Wahlmöglichkeiten offenstehen.

Auswirkungen werde die Reform auch auf die Stundenzahl der G-Kurse haben, teilt das Ministerium mit. Denn die Kultusministerkonferenz (KMK) schreibe vor, dass diese ab 2019 nicht mehr vierstündig unterrichtet werden dürfen. Dies betrifft die G-Kurse in den Natur- und Gesellschaftswissenschaften, die auf drei oder zwei Stunden reduziert werden müssen.

Auch die bisher freiwilligen Abweichprüfungen sollen verpflichtend werden. Bisher kann ein Schüler eine zusätzliche mündliche Prüfung beantragen, wenn seine schriftliche Abiprüfung vier Punkte (also mehr als eine ganze Note) vom Durchschnitt der vier Halbjahre davor abweicht. Künftig muss er die zusätzliche Prüfung ablegen.

„Es ist höchste Zeit, dass dieses Thema angepackt wird“, sagt der Vorsitzende des Saarländischen Philologenverbands (SPhV), Marcus Hahn. Denn das Saarland müsse die im Jahr 2016 von der KMK ab dem Schuljahr 2018/19 beschlossenen Veränderungen für die Oberstufe umsetzen. „Die KMK macht hier eine Rolle rückwärts. Sie hat Anfang des Jahrtausends die Beschränkung der E-Kurse auf die Kernfächer beschlossen“, sagt er. Jetzt würden diese wieder für alle Fächer geöffnet. „Wir begrüßen die größere Wahl­freiheit ausdrücklich“, sagt Hahn. Er verspricht sich auch eine Qualitätssteigerung der E-Kurse.

Verbände und Elternvertreter hatten kritisiert, dass Schüler derzeit oft das für sie kleinere Übel wählten – also etwa Mathe statt Englisch. In der Folge sei das Niveau der Schüler im E-Kurs sehr unterschiedlich. Diese Situation führte aus ihrer Sicht zu einem Niveauverlust in den E-Kursen. „Im Vergleich zum alten System mit den Leistungs- und Grundkursen ist ein Leistungsverlust festzustellen. Die Leistungskurse etwa hatten einen höheren Anspruch als die heutigen Erweiterungskurse“, sagte 2015 der Vorsitzende der Vereinigung der Oberstudiendirektoren der saarländischen Gymnasien, Wolfram Peters.

Nach Ansicht des Philologenverbands muss es künftig eine „vernünftige Beschränkung“ bei der Wahlfreiheit der E-Kurse geben. „Es muss die allgemeine Hochschulreife gewahrt bleiben“, sagt Hahn. Die Absicht, die Abweichprüfung verpflichtend zu machen, findet er sehr gut. „Die Nachprüfung ist im Interesse des Schülers, dass geschaut wird, wo sein tatsächlicher Leistungsstand ist“, sagt Hahn.

Erklärungen im Koalitionsvertrag, wonach auch geprüft werden soll, ob die Zweitkorrektur des Abi­turs an einer anderen Schule erfolgen soll, sieht er hingegen skeptisch: Erfahrungen seiner Kollegen in Nordrhein-Westfalen zeigten, dass der Aufwand höher sei als der Nutzen. Sinnvoller sei es, die Kontrollen stichprobenartig durchzuführen. „Das Ziel aller Reformen muss sein, die Qualität des Abiturs zu stärken und somit die Studierfähigkeit der Schüler“, sagt Hahn.

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