Ab in den Wilden Westen!

Das Saarland ist für uns Sachsen ein grauer Fleck auf der Landkarte. Mancher denkt vielleicht noch an Lafontaine und Frankreich, das war's dann aber auch. Meine Familie musste jedenfalls erst einmal im Atlas nachschauen, wo ich denn nun das nächste Jahr verbringen würde. Wer 20 Jahre hinter dem Eisernen Vorhang gelebt hat, kennt eben noch nicht das ganze kapitalistische Ausland

Das Saarland ist für uns Sachsen ein grauer Fleck auf der Landkarte. Mancher denkt vielleicht noch an Lafontaine und Frankreich, das war's dann aber auch. Meine Familie musste jedenfalls erst einmal im Atlas nachschauen, wo ich denn nun das nächste Jahr verbringen würde. Wer 20 Jahre hinter dem Eisernen Vorhang gelebt hat, kennt eben noch nicht das ganze kapitalistische Ausland.Für mich persönlich macht gerade das Unbekannte den Reiz aus. Das Jahr im Saarland sollte ein Abenteuer werden, das stand fest. Ich dachte an die amerikanischen Einwanderer, die den Wilden Westen erkundeten: unendliche Prärie, sengende Hitze, mehr oder weniger freundlich gesinnte Indianerstämme.

Am Ende war meine Karl-May-Romantik gar nicht so abwegig. Zugegeben, ganz so unendlich wie der amerikanische Westen ist das Saarland nicht, und statt staubiger Graslandschaften gibt es hier an vielen Ecken saftiges Grün zu sehen. Die Einheimischen haben meine Erwartungen aber voll erfüllt: Auch sie tanzen - bisweilen mit nacktem Oberkörper - um das Feuer. Nur schwingt hier meist noch ein Grillrost mit Schwenkfleisch darüber. Sie schwören auf Gerichte mit exotischen Namen wie "Geheirade", "Hoorische" und "Dibbelabbes" und beten ehrfurchtsvoll zum großen Maggi. Und ob ich nun mit einem Apachen spreche oder mit einem Ur-Saarländer, macht für mich bisher auch keinen Unterschied - in beiden Fällen verstehe ich kein Wort. Zu meinem Glück sind die Saarländer in solchen Situationen aber weniger nachtragend, als die Indianer es wohl waren. Wer will schon nach dem ersten kulturellen Missverständnis am Lyoner-Marterpfahl landen?

Stefan Lehmann ist in Bautzen geboren und studiert in Leipzig. Bis Ende August führt ihn sein Volontariat täglich nach Merzig. An dieser Stelle schildert er Eindrücke aus seiner Wahlheimat.

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