Serie Nachgehakt Ab 2019 zahlen Selbstständige weniger für die Krankenkasse

Saarbrücken · 2017 startete der Blumenhändler Andreas Müller eine Petition für gerechtere Krankenkassenbeiträge. Was wurde aus ihm und seinem Anliegen?

 Andreas Müller im November 2017 an seinem Blumenstand.

Andreas Müller im November 2017 an seinem Blumenstand.

Foto: Oliver Dietze

Im Mai 2017 startete der Saarbrücker Blumenhändler Andreas Müller eine Online-Petition für gerechtere Krankenkassenbeiträge für geringverdienende Selbstständige. Die Krankenkassen verlangen von den freiwillig Versicherten einen Mindestbeitrag, der von einem Gewinn von rund 2284 Euro ausgeht, eine Summe, die viele Freiberufler gar nicht erreichen – auch Müller nicht. Er kam mit seinem Blumenstand auf dem St. Johanner Markt in Saarbrücken gerade so über die Runden. Mit seiner Petition traf Müller offenbar einen Nerv: Innerhalb kurzer Zeit hatte er über 100 000 Unterschriften beisammen. Müller schrieb auch mehreren saarländischen Politikern, Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger (SPD) besuchte ihn im März dieses Jahres sogar an seinem Stand.

Nun ist tatsächlich eine Verbesserung für Selbstständige in Sicht: Die große Koalition im Bund einigte sich darauf, die Mindestbemessungsgrundlage zu halbieren. Ab 2019 liegt sie bei 1038 Euro statt wie bisher bei 2284 Euro. Fällig wird nur noch ein Beitrag von rund 160 Euro pro Monat statt rund 400 Euro.

Für Müller selbst spielt das keine Rolle mehr. Er gab im September nach über acht Jahren seinen Blumenstand auf und nahm eine Stelle als Mitarbeiter im Verkauf in einem Bio-Markt an. „Die Absenkung des Mindestbeitrags hätte mich nicht gerettet“, sagt Müller. Auf Dauer sei sein Einkommen im Blumenhandel zu niedrig gewesen. „Irgendwann muss man die Reißleine ziehen.“ Er wolle schließlich nicht nach seinem Berufsleben im Alter von Sozialhilfe leben müssen.

Müller hatte lange überlegt, ob er die Petition starten sollte. „Viele Selbstständige haben Angst, öffentlich zu sagen, dass sie wenig Geld verdienen, weil das oft fälschlicherweise als eigenes Verschulden angesehen wird.“ Umso mehr freute er sich, dass ihm viele Menschen positive Rückmeldung gaben. „Nach der politischen Entscheidung haben sich sogar viele bei mir bedankt.“ Dabei habe es sicher nicht an ihm gelegen, dass sich etwas geändert habe, „aber einen kleinen Beitrag habe ich vielleicht geleistet“.

Sein Fazit nach der Aktion: „Wir brauchen mehr Bürgerbeteiligung.“ Oft hätten ihm die Kunden an seinem Blumenstand gesagt, es ändere sich sowieso nichts. Andreas Müller erwiderte dann immer: „Wenn ihr nichts tut, ändert sich wirklich nichts.“

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