68 Hexen brannten auf der Siersburg

Rehlingen-Siersburg. Auf dem Ort, wo Mittelalter-Freunde Ritterspiele heiter nachstellen, liegt ein bedrückender Schatten der Vergangenheit. Auf der Siersburg sollen mindestens 68 Menschen zwischen 1570 und 1630 wegen des Vorwurfs der Hexerei und Zauberei verbrannt worden sein. Unter ihnen waren beispielsweise Ida Schweinhirtens und Hanßen Meiers

Rehlingen-Siersburg. Auf dem Ort, wo Mittelalter-Freunde Ritterspiele heiter nachstellen, liegt ein bedrückender Schatten der Vergangenheit. Auf der Siersburg sollen mindestens 68 Menschen zwischen 1570 und 1630 wegen des Vorwurfs der Hexerei und Zauberei verbrannt worden sein. Unter ihnen waren beispielsweise Ida Schweinhirtens und Hanßen Meiers. Deren angebliche Schuld hatten Inquisitionsverfahren "bewiesen", erklärt Osmund Lion(83) aus Rehlingen. Der Heimatforscher beschäftigt sich bereits seit mehr als 25 Jahren intensiv mit der Geschichte Rehlingen-Siersburgs. Er hat aus Archiven in Nancy, Metz, Saarbrücken und Koblenz Kopien alter Dokumente über die Region zusammengetragen. Bei seinen Forschungen las er immer wieder von Opfern der Hexenverfolgung. In deren Zusammenhang soll auch die Siersburg eine wichtige Rolle gespielt haben. "Die Siersburg war nun mal der Sitz des Amtmanns, der dort auch über die angeblichen Hexen zu richten hatte", sagt Lion, "in Überlieferungen wird auch von einem Hexenturm berichtet. Der ist heute jedoch nicht mehr vorhanden, hat seinen Namen aber dadurch bekommen, dass dort die Menschen bis zur Urteilsvollstreckung eingekerkert wurden." Auch Helmut Grein von der Vereinigung für Landeskunde im Landkreis Saarlouis betreibt Forschungen zur Geschichte der Region. "Hexenverbrennungen waren im Bereich des Amtsbezirks Siersberg wohl stark verbreitet gewesen", sagt Grein. "Üblicherweise wurden über solche Personen Gerüchte in Umlauf gebracht. Auf Grund derer sind sie dann verhaftet worden. In anschließenden Inquisitionsverfahren wurden ihnen durch harte Folter Geständnisse abgerungen." Ohne ein solches Geständnis konnten die vermeintlichen Hexen und Zauberer nicht verurteilt werden. Diese Schuldgeständnisse sind für Grein und Lion jedoch nicht ernst zu nehmend. Grein: "Wer eine derartige Folter erleiden musste, gestand nahezu alles."Über die Prozesse wurden auch Akten geführt. Bei Ida Schweinhirtens und Hanßen Meiers sind diese sogar noch vorhanden. Lion hat sie in einem Archiv in Nancy ausfindig gemacht. Unter dem Vorsitz eines gewissen Amtmanns Johan von Cicignon wurden die beiden im Jahr 1594 auf der Siersburg der "Zauberei halber" angeklagt und verurteilt. Lion: "Die armen Menschen wurden nach dem Schuldspruch bei vollem Bewusstsein verbrannt. Dabei musste auch die Bevölkerung anwesend sein. Die Obrigkeit versprach sich davon eine abschreckende Wirkung."Was mit den verkohlten Knochen der auf diese Weise ermordeten Menschen passiert ist, ist unklar. "Lehrer Augustin aus Itzbach schildert in einem Text das Schicksal der Klein Schneiders Johanns Hausfrau. Diese wurde wohl zu Tode gefoltert und sei anschließend am Hang an der Nordseite des großen Turms verscharrt worden."In Anbetracht des Schicksals, das vermutlich 68 Menschen erleiden mussten, plädiert Lion dafür, in Gedenken an diese Menschen ein Mahnmal zu errichten: "Dort sollte zumindest zu lesen sein, dass zu Zeiten der Hexenverfolgung auf der Siersburg viele Menschen bestialisch verbrannt wurden." "Klein Schneiders Johanns Hausfrau wurde wohl zu Tode gefoltert und an der Nordseite des großen Turms verscharrt."Heimatforscher Osmund LionMeinung

Menschlichkeit bleibt in Gefahr

 Die Geschichte der Siersburg hatte dunkle Kapitel. Foto: SZ

Die Geschichte der Siersburg hatte dunkle Kapitel. Foto: SZ

Von SZ-RedakteurHarald Knitter Das Thema Hexenverfolgung ist brandaktuell. Die Dinge, die in Kombination einst zu diesem Verlust jeder Menschlichkeit führten, existieren alle noch. Fremdes erscheint uns unheimlich. Bei Unerklärlichem flüchten sich manche in Aberglauben. Passiert Schlimmes, muss ein Schuldiger her - und sei es nur als Sündenbock. Missliebige Leute werden gemieden, gemobbt, für Nichtigkeiten angezeigt oder schlicht denunziert. Den verteufelten Nachbarn würde man am liebsten ganz loswerden. Folter in Verhören scheint manchen nicht mehr unvorstellbar - ob in Guantanamo oder Frankfurt. Die Todesstrafe haben viele Länder noch. Zur Barbarei fehlt nur die Kombination dieser Dinge. HintergrundDie historische Akte aus dem Prozess gegen Ida Schweinhirtens: "Heute am 31. August 1594 hat der edle und ehrwürdige Junker Johan von Cicignon über eine Frau namens Ida Schweinhirtens aus Besseringen zu urteilen, welche am 28. Juni () wegen Zauberei verhaftet wurde. () Ihr wird vorgehalten, dass sie eine Hexe sei. Als solche ist sie von etlichen Personen, die später wegen Zauberei hingerichtet wurden, denunziert () worden. Da die Beweise überzeugend sind, hatte sie die gut gemeinte Möglichkeit, zum Heil ihrer Seele das Laster zu gestehen. Dies wollte sie aber nicht, so dass man gezwungen war, sie einer schmerzhaften Befragung zu unterziehen. () Als sie nur ein wenig hoch gezogen wurde (Anm. d. Red.: vermutlich mit einem Strick um die Handgelenke hochgezogen, während die Füße mit Gewichten beschwert waren), fing sie an zu bekennen: Sie sei auf einem schwarzen Bock auf den Zauberer-Tanzplatz geritten und ihr Buhl sei der Beelzebub. Als sie daraufhin heruntergelassen wurde, leugnete sie dies aber wieder. Folglich wurde sie erneut der schmerzhaften Befragung unterzogen. pbe

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