120 Meter von der Erde bis zum Mond

Camphausen. "Die Leere ist das Entscheidende. In dieser Dimension findet man sie an keinem anderen Ort im Saarland," stellt Harald Hullmann fest. Zusammen mit seinem Kollegen Jörg Gimmler und den Saarbrücker Landschaftsarchitekten Dutt, Hegelmann & Kist hatte der Gestalter 2002 die "Himmelsspiegel" für das Plateau der Halde Lydia bei Fischbach-Camphausen entworfen

Camphausen. "Die Leere ist das Entscheidende. In dieser Dimension findet man sie an keinem anderen Ort im Saarland," stellt Harald Hullmann fest. Zusammen mit seinem Kollegen Jörg Gimmler und den Saarbrücker Landschaftsarchitekten Dutt, Hegelmann & Kist hatte der Gestalter 2002 die "Himmelsspiegel" für das Plateau der Halde Lydia bei Fischbach-Camphausen entworfen. Seitdem liegen drei flache kreisrunde Senken liegen auf der grauen Fläche.Die Halde, karg wie eine Mondlandschaft, ist eine typisch saarländische Erscheinung. Sie wuchs, als die Bergehalde nördlich der Fischbachtalbahn den Abraum der Grube Camphausen nicht mehr fassen konnte. Lydia, die nach der Frau des damaligen Grubendirektors benannt wurde, bestand ursprünglich aus zwei Kegelhalden. Später vereinigte man sie zu einem 120 Meter hohen Tafelberg. Nachdem der Bergbau in Fischbach-Camphausen und 2012 im ganzen Saarland endgültig Geschichte ist, bleiben die Bergehalden als unübersehbare Zeugnisse zurück. Eine Möglichkeit wäre Vergessen durch Verwandeln mit viel Grün. Eine andere war, was durch Menschenhand im Industriezeitalter zu einer zweiten Natur gewachsen war, nicht wieder verschwinden zu lassen. Das hieß für die Gestaltung, die Geschichte des Ortes einzubeziehen und zugleich "etwas Neues zu machen, für die Generationen, die nach dem Bergbau kommen", erklärt Harald Hullmann. Fünf Halden ragen aus dem Grün des Saarkohlenwald heraus.

Ein rund 60 Kilometer langes Wegenetz des Haldenrundwegs fasst sie ein. Ein Stein in dieser Kette ist die Halde Lydia. Sie sollte weder Gedenkstätte des Bergbaus, noch Naherholungsangebot sein, sondern etwas, das auf gewisse Art beides ist und noch etwas mehr: "Der Ort hatte die Qualität, dass er völlig entrückt ist. Sie kommen dorthin, und es ist ganz anders." Daher waren es kleine, aber wirkungsvolle Eingriffe in den leeren Raum. Die Mulden an den Rändern des 12 Hektar großen Plateaus blieben fast original erhalten. Die Regelmäßigkeit dieser Aufschüttungen, die wie ein Borte die Fläche säumen, dankt sich den immer dieselbe Menge an Abraum fassenden Ladeflächen der Lkws. In der Mitte der Fläche liegen drei Senken. Eine Lehmschicht sorgt dafür, dass darin das Wasser nicht versickert und fertig sind die drei Himmelsspiegel. Der Himmel fällt auf die Erde und gehorcht dem allgegenwärtigen Prinzip der Halde: dem Austausch von Unten und Oben. Die Halde verdankt ihre Gestalt dem von unter Tage nach über Tage gebrachten Abraum. Da ist es zwingend, dass auch Mond und Wolken ihre Position wechseln. Der "Jardin mystique", zu dem Hullmann & Gimmler die Halde Lydia machten, verlangt "mehr als eine funktionale Betrachtungsweise," sagt Harald Hullmann. Die Fläche erinnert an eine Mondlandschaft, aber auch an einen Strand, an dem Besucher anstatt nach Muscheln den umherliegenden Abraum nach Fossilien suchen.

120 Höhenmeter führen hinaus aus dem Alltag. Doch das Umfeld bleibt immer gegenwärtig beim Ausblick von der Halde. Zwei Wege führen hinauf. Der eine von der Siedlung Camphausen ist kurz und steil. Länger und mehr Vorfreude verspricht der Anstieg vom Parkplatz Netzbachtal. Nie war es einfacher, nie ging es schneller von der Erde auf den Mond zu gelangen.

saarkohlenwald.de

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