"Saarbrücken kann glücklich sein"

Na, es geht doch. Nach der etwas fahrigen Eröffnungszeremonie des Festivals erfreute die Preisverleihung am Samstag in der ausverkauften Congresshalle umso mehr: dank der sichtlich glücklichen prämierten Jungfilmer, dank der meisten Jury-Entscheidungen und dank Ralf Bauer. Der moderierte sich nach seinem Ophüls-Debüt 2009 erneut munter durch den Abend

Na, es geht doch. Nach der etwas fahrigen Eröffnungszeremonie des Festivals erfreute die Preisverleihung am Samstag in der ausverkauften Congresshalle umso mehr: dank der sichtlich glücklichen prämierten Jungfilmer, dank der meisten Jury-Entscheidungen und dank Ralf Bauer. Der moderierte sich nach seinem Ophüls-Debüt 2009 erneut munter durch den Abend. Den Kulturminister Karl Rauber (CDU, in Vertretung für MP Peter Müller) fragte er, ob man fürs Amt einen Hang zur Kultur haben müsse - oder ob man einfach "blind ausgewählt" würde (wird man nicht, erklärte ihm Rauber). Der Saarbrücker Oberbürgermeisterin Charlotte Britz (SPD) entlockte er den alten Berufswunsch der Erzieherin; den übe sie heutzutage manchmal aus, bekannte sie - nämlich im Umgang mit dem Saarbrücker Stadtrat.Der große Sieger war "Schwerkraft", die Geschichte eines braven Angestellten, der das ungezähmte Wesen in sich entdeckt: Ophüls-Preis, Drehbuchpreis, Darstellerpreis für eine um ihren Kreislauf fürchtende Nora von Waldstätten (siehe unten) und ein Sonderpreis für den Hauptdarsteller Fabian Hinrichs ("Vielen Dank! Ausgezeichnet"!).

Auch beim Dokumentarfilm ging die Jury kreative Wege: sie teilte den Preis auf zwei Filme und vergab noch eine lobende Erwähnung an die Doku "Hoffenheim - Das Leben ist kein Heimspiel". Jurymitglied Paul Thiltges, offenbar dem lässigen Ophüls-Charme erlegen, bekannte zudem, am liebsten wäre er im Bademantel aufgetreten, um zu zeigen, wie gemütlich sich dieses Festival doch anfühle.

Die Schülerjury zeichnete den HipHop- und Flüche-geschwängerten Jugendkrimi "Bis aufs Blut" aus und bekannte: "Ein Film, der unseren Wortschatz enorm erweitert hat."

Zwischendurch gab es ein musikalisches Zwischenspiel von Regisseur und Musiker Lenn Kudrjawizki mit Chansons und einer skurrilen Geschichte über Wodka und Stimmbänder.

Beste Freunde werden Drehbuchjury-Mitglied Jan Henrik Stahlberg ("Muxmäuschenstill") und SR-Programmchef Hans-Günther Brüske wohl nicht mehr. Brüske hatte den SR/ZDF-Drehbuch-Preisträger "Schwerkraft" mit einer persönlichen Bemerkung gewürdigt, worauf Stahlberg seine Laudatio mit strengem Blick so einleitete: "Und nun die Begründung von denen, die den Film wirklich gesehen haben."

Die gut entscheidende Grand Jury fand aufmunternde Worte für alle anwesenden Filmemacher, die an diesem Abend leer ausgehen würden - "lasst Euch nicht entmutigen, nicht für eine Sekunde" - und sie fand die passenden Worte für den Film, der im Wettbewerb durch seine Radikalität herausragte: das Gefängnisdrama "Picco", einen "dunklen Traum ohne Erwachen", der den Preis des Ministerpräsidenten gewann. Regisseur Philip Koch erzählte, dass der Film nur möglich war, weil alle Teammitglieder fast umsonst gearbeitet hätten.

Den lautesten und längsten Jubel gab es nicht für die Preisträger, sondern für die Festivalleiter Gabriella Bandel und Philipp Bräuer. Das Jubiläum 2009 mag mit mehr Rahmenprogramm glanzvoller gewirkt haben; 2010 zeigte aber die grundlegende Stärke: Konzentration auf die wahren Stars, die Filme nämlich. Da gab es gut gemachtes Erzählkino für die große Leinwand (liefen je so viele Cinemascope-Filme?) und Darsteller, die manche schematischen Drehbücher überspielten. Der Luxemburger Produzent Paul Thiltges sagte es treffend: "Saarbrücken kann mit diesem Festival glücklich sein."

Meinung

VerdienterPreisregen

Von SZ-RedakteurThomas Reinhardt

Du bist die Liebe meines Lebens", gesteht der verzweifelte Bankangestellte der Frau, ohne die er nicht sein kann. "Du bist die Katastrophe meines Lebens", antwortet sie später. Da haben sie die Nacht miteinander verbracht und schmieden Pläne für eine gemeinsame Zukunft. Die in Island beginnen könnte. "Schwerkraft" erzählte überzeugend und in stimmungsvollen Bildern die Geschichte des Bankangestellten Frederik (Fabian Hinrichs), der seine finstere Seite entdeckt. Die Jury zeichnete Maximilian Erlenweins Film verdientermaßen mit dem Max-Ophüls-Preis aus. "Schwerkraft" funktioniere "sowohl als tiefgründige Charakterstudie als auch als Drama und subversive Komödie", lobte die Jury. Und wie zur Bestätigung gewann Erlenwein auch noch den Drehbuchpreis, sein Hauptdarsteller Fabian Hinrichs einen Sonderpreis, und Nora von Waldstätten wurde als Nachwuchsdarstellerin prämiert.

Für den jungen Tommy ist Sule zwar der beste Freund und wie ein Bruder, doch zugleich auch die Katastrophe seines Lebens. Denn Sule kann die Finger nicht von den Drogen lassen und reißt Tommy immer wieder mit rein. Oliver Kienle schickt seine Antihelden in "Bis aufs Blut - Brüder auf Bewährung" auf eine Achterbahn der Gefühle. Der kraftvolle Film funktioniert trotz kleiner dramaturgischer Schwächen im Kino prächtig, spricht vor allem ein jüngeres Publikum an. So räumte Kienle gleich drei Preise ab. Außerdem teilte er sich mit dem beklemmenden Sozialdrama "Die Entbehrlichen" von Andreas Arnstedt die Verleihförderung, die noch zur Verfügung stand, da "Schwerkraft" bereits einen Kinoverleih hat. Eine sehr gute Entscheidung.

Das gilt auch für den Preis des Ministerpräsidenten für Philip Kochs schonungsloses Gefängnisdrama "Picco". Wenn in den übrigen ausgezeichneten Filmen am Ende wenigstens ein kleiner Hoffnungsschimmer bleibt, so steuert "Picco" unaufhaltsam in die Katastrophe. Mutig und preiswürdig. So bleibt nur ein Wermutstropfen zurück: Auch dem österreichischen Spielfilm "South", diesem atmosphärisch dichten Schwarz-Weiß-Thriller, hätte man einen Preis gegönnt. Und einen Kinoverleih, aber das kann ja noch kommen.

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