Homburg Saar-pfälzische Protestanten arbeiten ihre NS-Vergangenheit auf

Homburg · Im Auftrag der Evangelischen Kirche der Pfalz unter Federführung der Evangelischen Akademie und mit Unterstützung des Zentralarchivs der Evangelischen Kirche der Pfalz haben 60 Autorinnen und Autoren ein umfangreiches zweibändiges Handbuch zur Geschichte der Landeskirche in der NS-Zeit in den vergangenen drei Jahren erarbeitet.

Das Buch trägt den Titel „Protestanten ohne Protest“. Es wurde vor einem Jahr in Speyer der Öffentlichkeit vorgestellt. Mit der Geschichte der pfälzischen Landeskirche in der NS-Zeit hatte sich auch die Landessynode in Bad Dürkheim beschäftigt.

Zu den Herausgebern zählt Kirchenrat Frank Mathias Hofmann, der als Beauftragter der pfälzischen und der rheinischen Kirche die Interessen der Kirchen bei der Saar-Regierung in Saarbrücken vertritt. Hofmann erklärte, es sei nach dem Machtantritt Hitlers 1933 zu einer Selbstgleichschaltung der Landeskirche gekommen. Hofmann: „Man verhielt sich loyal zum neuen Staat und förderte ihn aktiv durch kirchenpolitische Maßnahmen etwa durch Zurverfügungstellung der Kirchenbücher für den so genannten „Ariernachweis“ und durch Unterstützung des Zweiten Weltkriegs in Predigten und Verlautbarungen der Landeskirche.“ Es habe „ein erschreckendes Versagen“ gegeben.

Zu den Autoren des Nachschlagewerkes zählen unter anderem auch der Kaiserslauterer Historiker Roland Paul, der sich mit der Judenfrage befasste. Professor Joachim Conrad aus Püttlingen beschrieb die Selbstgleichschaltung und Eingliederung der Pfälzischen Landeskirche in die Reichskirche. Jörg Rauber aus Rohrbach befasste sich mit der Bedeutung der Saarfrage und des Sonderstatus der saarpfälzischen Gemeinden bis zur Rückgliederung 1935. Der Historiker und SZ-Redakteur Jürgen Karl Neumann aus Einöd beschreibt den Werdegang von Pfarrer Willy Oeffler aus Bexbach, später Schwarzenbach-Wörschweiler-Schwarzenacker. Er weigerte sich unter anderem, in Breidenbach einen NSDAP-Funktionär in der Gemeinde zu beerdigen; zudem lehnte er es in seinen Predigten ab, „Hitler als seinen Führer“ anzuerkennen. Oeffler wurde mehrfach von der Gestapo misshandelt. Saarnahe Themen kommen in dem neuen Standardwerk von der aus Homburg stammenden Doris Lambert-Perry zu Pfarrer Karl Essenbon. Die Mainzer Lehrbeauftragte für Geschichte, Monika Storm, beleuchtete aufwändige Kirchenbauprojekte in der Pfalz während der NS-Zeit, darunter die „nationale Dankeskirche“ in Rohrbach, aber auch die Geschichte des Baues der „Saarbefreiungskirche in Homburg-Beeden“ oder dass in Limbach ein protestantisches Pfarrhaus 1936 gebaut wurde. Für Hofmann ist mit dem Buch erst ein Schritt getan. „Nun müsste die Kirche, die damals regimekritischen Pfarrer rehabilitieren“, fordert der Theologe Hofmann. Er regte an, eine Förderung lokalgeschichtlicher Arbeiten zur kirchlichen und diakonischen Geschichte in der NS-Zeit zu gründen.

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