Saar-Handel vor großen Veränderungen

Saarbrücken · Der Saar-Einzelhandel stehe vor dramatischen Veränderungen, ausgelöst durch Internet, neue große Einkaufszentren und eine zurückgehende Bevölkerung. Diese Ansicht vertritt Joachim Zentes, Leiter des Instituts für Handel und internationales Marketing an der Saar-Uni.

 Große Einkaufszentren, hier die Europa-Galerie in Saarbrücken, ziehen viele Menschen an. Der Bau weiterer solcher Groß-Projekte in der Region ist umstritten. Foto: Europa-Galerie

Große Einkaufszentren, hier die Europa-Galerie in Saarbrücken, ziehen viele Menschen an. Der Bau weiterer solcher Groß-Projekte in der Region ist umstritten. Foto: Europa-Galerie

Foto: Europa-Galerie

. Der klassische Einzelhandel im Saarland wird von immer mehr geplanten größeren Einkaufszentren in seiner Existenz bedroht. Diese Ansicht vertritt Joachim Zentes, Leiter des Instituts für Handel und internationales Marketing an der Saar-Uni. Er warnte auf dem "Handelskongress 2013" davor, weitere Einkaufstempel in der Region zu bauen, wie es jetzt in Homburg geplant ist. Große Einkaufszentren zögen von traditionellen Händlern Kaufkraft ab. Gleichzeitig werde die Lage für alle erschwert, da die Saar-Bevölkerung bis 2025 auf voraussichtlich nur noch 917 Millionen Einwohner abnimmt. Der Kampf um immer weniger Kunden werde immer brutaler.

Zentes verweist auf ein bereits geplantes Einkaufszentrum in Trier mit 20 000 Quadratmetern sowie weitere in Kaiserslautern und Pirmasens. "Die Liste von Projekten in der Region ist noch viel länger." In seiner Statistik seien Projekte in Luxemburg und Ostfrankreich erst gar nicht enthalten. In der Region findet laut Zentes derzeit ein "Flächen-Gigantismus" mit heute noch unvorhersehbaren Folgen statt. Der Handels-Professor fordert daher ein "sehr behutsames Vorgehen regionaler Entscheider bei Neueröffnungen und Neuerschließungen von Flächen". Insbesondere Nachbarkommunen müssten sich besser abstimmen. Sonst drohe ein "Gau im Handel" an der Saar. Auch Hans E. Agostini, Präsident des Saar-Einzelhandelsverbandes, fordert eine bessere Abstimmung von Vorhaben und mehr Mitglieder, die sich in die Diskussion einmischen. "Wir brauchen einen selbstbewussten Handel, der sich zu Wort meldet."

Zentes glaubt, die aktuelle Situation müsse schon zu einer Gegenüberlegung führen: Wie baut man Fußgängerzonen angesichts zahlreicher Leerstände wieder zurück? Wie schafft man mehr Ruhezonen und Orte zum Verweilen? Derzeit nehme der "Drang in die 1-A-Lagen in Zentren dramatisch zu". Der Handel konzentriere sich auf immer weniger Standorte. "Wo Leerstände das Bild prägen, kann niemand mehr davon ausgehen, dass automatisch andere Geschäfte öffnen", sagt Zentes.

Innenstädte seien künftig durch zwei weitere Trends geprägt. Insbesondere Anbieter von Unterhaltungselektronik müssten sich hier etwas einfallen lassen. Da immer mehr Menschen Musik, Filme und andere Artikel nur noch im Internet kaufen, fielen bald riesige Verkaufsflächen weg. Das betreffe auch Videotheken.

Positiv für die Belebung von Innenstädten sei wiederum, dass vor allem im Internet präsente Unternehmen wie Dell, Microsoft oder Apple sich über Marken-Geschäfte in den Zentren neue Verkaufswege eröffnen. Zentes rät klassischen Einzelhändlern umgekehrt, auf allen Vertriebswegen Präsenz zu zeigen. Dazu gehöre auch ein profesionell gestalteter Internet-Auftritt. Dieses Medium erreiche eine immer größere Zielgruppe. Davon seien besonders all die Branchen betroffen, die nichts mit dem Lebensmittel-Handel zu tun haben. Zentes schätzt deren Umsatz per Internet im Jahr 2022 auf 72 Milliarden Euro.

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