Saar-Einzelhandel streitet über Ladenschluss

Saarbrücken. Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi und das Aktionsbündnis "Allianz für den freien Sonntag" wollen gemeinsam mobil machen gegen Forderungen des Saar-Einzelhandels, die Ladenöffnungszeiten komplett freizugeben.Dies führe zu einer starken Ausweitung geringfügiger Beschäftigung und von Leiharbeit, argumentiert Stefanie Nutzenberger von Verdi

Saarbrücken. Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi und das Aktionsbündnis "Allianz für den freien Sonntag" wollen gemeinsam mobil machen gegen Forderungen des Saar-Einzelhandels, die Ladenöffnungszeiten komplett freizugeben.Dies führe zu einer starken Ausweitung geringfügiger Beschäftigung und von Leiharbeit, argumentiert Stefanie Nutzenberger von Verdi. Außerdem folge ein Verdrängungswettbewerb zu Ungunsten beratungsintensiver Familienbetriebe. Man werde beim Ministerpräsidenten vorstellig werden, sobald es eine konkrete Gesetzesinitiative zur veränderten Ladenöffnung geben wird, kündigt Albert Ottenbreit an, der im Aktionsbündnis die Belange der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung (KAB) wahrnimmt. Die Allianz ist eine landesweite kirchliche und gewerkschaftliche Initiative, die von Organisationen aus anderen gesellschaftlichen Bereichen unterstützt wird. In der Kaufmannschaft gehen die Meinungen auseinander. Hermann Brunneke vom Modehaus Neufang-Rennwald in Ottweiler, das 99 Jahre besteht, betont: "Die Leute wollen vor allem gut beraten werden." Längere Ladenöffnungszeiten seien nicht nötig. Auch Roman Schmidt, Inhaber eines Fotoshops in Blieskastel, denkt so. Mehr Öffnung mache Schichtarbeit notwendig. Wichtiger sei Fachpersonal. "Es hagelt Beschwerden, wenn das Fachwissen fehlt."Joachim Zentes, Chef des Instituts für Handel und Internationales Marketing an der Saar-Uni, plädiert dafür, dem Handel die Öffnungszeiten zu überlassen. "Der Markt und die Kunden entscheiden über Erfolg oder Misserfolg." Es sei auch sinnvoll, an einigen Sonntagen mehr zu öffnen. Noch mehr bringe wohl häufigeres Late-Night-Shopping. Verkaufsoffene Sonntage hätten inzwischen das Image einer "großmütterlich biederen Veranstaltung". Late-Night-Shopping locke auch mehr jüngere Kunden. Die Praktiker-Baumärkte sehen derzeit keinen Bedarf an längeren Öffnungszeiten, würden aber neue politische Angebote prüfen, so Praktiker-Pressesprecher Harald Günter. Für längere Öffnungszeiten an Werktagen bis 22 Uhr plädiert Thomas Bruch, Geschäftsführender Gesellschafter der Globus-Gruppe St. Wendel. Eine große Anzahl saarländischer Kunden wandere abends ab nach Zweibrücken, zu den Cora-Märkten in Frankreich und zu Cactus nach Luxemburg. Globus habe in Rheinland-Pfalz zusätzliches Personal eingestellt, überwiegend sozialversicherungspflichtig beschäftigt, insbesondere an Bedienungstheken. Vernünftige Arbeitszeit-Regelungen würden von den Arbeitnehmern mitgetragen, wenn man die Mitarbeiter und den Betriebsrat einbezieht, betont Bruch.Karstadt-Saarbrücken-Chefin-Silke Neumann-Radziszewski hält ebenfalls mehr Late-Night-Shopping für verkaufsfördernd, etwa im Frühjahr. Das ziehe viele Menschen in die Innenstädte. Auch sie plädiert für eine völlige Freigabe der Ladenöffnung. Ebenso Heike Marzen, Managerin des Saarpark-Centers in Neunkirchen mit 130 Shops. Meinung

Mehr Flexibilität schadet nicht

Von SZ-RedakteurThomas Sponticcia Niemand will jeden Sonntag öffnen. Daran hätten wohl auch die Kunden kein Interesse. Etwas mehr Flexibilität in der Saar-Ladenöffnung schadet aber auch nicht. Warum darf etwa an einem Advent-Sonntag nicht geöffnet werden, wenn in den Innenstädten alleine schon die Weihnachtsmärkte Kunden auch von weit her anziehen? Das ist nicht zu vermitteln. Und warum soll man nicht häufiger als einmal im Jahr Late-Night-Shoppping anbieten dürfen? Auch das zieht viele Menschen in die Innenstädte, belebt zudem die Gastronomie. Für zahlreiche Menschen haben sich zudem Arbeitsbedingungen verändert. Viele arbeiten abends länger, haben erst dann Zeit zum Einkauf. Auch darauf muss der Handel reagieren. Sonst veröden die Innenstädte weiter. HintergrundIm Koalitionsvertrag der Landesregierung heißt es auf Seite 28 im Kapitel Tourismus: "Wir werden uns des vor allem für den Einzelhandel relevanten Themas Ladenöffnungszeiten annehmen und einen Prüfauftrag zur probeweisen und zeitlich befristeten Einführung eines langen Donnerstages (Öffnungszeiten bis 22 Uhr) unter besonderer Berücksichtigung erines "City Privilegs" erstellen. Im Rahmen einer abschließenden Evaluation werden wir dann festlegen, wie weit das Ladenöffnungsgesetz gegebenenfalls geändert wird." red

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