Russland legt Boykott-Liste vor

Moskau/Berlin · Viele Lebensmittel aus der EU und den USA verschwinden aus russischen Regalen. Moskaus Sanktionsliste ist lang. Die EU kritisiert die Boykott-Entscheidung scharf und droht mit Reaktionen.

Nach dem russischen Einfuhrverbot für Lebensmittel aus dem Westen müssen deutsche Unternehmen und Landwirte mit Einbußen rechnen. Wie stark sie sein werden, ist unklar. Von den Sanktionen, die Moskau als Reaktion auf die Strafmaßnahmen von EU und USA in der Ukraine-Krise verhängte, seien deutsche Exporteure massiv betroffen, teilte der Bundesverband Großhandel, Außenhandel und Dienstleistungen (BGA) mit. Dagegen rechnet der Bauernverband mit überschaubaren Auswirkungen.

Der von Präsident Wladimir Putin verkündete einjährige Boykott umfasst Fleisch , Fisch, Milchprodukte, Obst und Gemüse. Betroffen sind die USA und alle EU-Staaten, außerdem Kanada, Australien und Norwegen. Das geht aus einer Boykottliste hervor, die Moskau gestern veröffentlichte. Die EU kritisierte Russlands Vorgehen. "Das Verbot untergräbt das Ansehen Russlands als zuverlässiger Partner", sagte ein EU-Sprecher in Moskau . Bei der EU-Kommission hieß es, die EU behalte sich eine Antwort vor. 2013 exportierte die EU nach eigenen Angaben allein Obst und Gemüse im Wert von 11,9 Milliarden Euro nach Russland.

Nach Einschätzung des Deutschen Bauernverbands wird der Boykott die deutsche Landwirtschaft kaum zusätzlich treffen. Bereits seit dem Herbst 2013 gebe es Einfuhrsperren für Schweinefleisch aus der EU und für Käse aus Deutschland. Die deutsche Lebensmittel-Wirtschaft exportierte 2013 Waren im Wert von 1,6 Milliarden Euro nach Russland - rund 14 Prozent weniger als noch 2012.

Russische Experten gehen davon aus, dass der Importstopp "äußerst schmerzhaft" für beide Seiten wird. Die EU verliere viele Milliarden Euro aus dem Obst- und Gemüsehandel mit Russland, sagte der Wirtschaftswissenschaftler Sergej Sutyrin von der Universität St. Petersburg. Zudem müssten die USA auf einen lukrativen Markt für Rindfleisch und Geflügel verzichten. Leidtragende sind laut BGA auch die russischen Verbraucher. Sie müssten wohl die Zeche in Form höherer Preise, schlechterer Qualität und geringerer Vielfalt bezahlen.

Russland habe sehr lange nicht geantwortet auf die Sanktionen des Westens, sagte Ministerpräsident Dmitri Medwedew. Das Land habe bis zuletzt gehofft, der Westen werde begreifen, dass seine Politik in die Sackgasse führe. "Wir mussten antworten." Medwedew sieht nun auch eine Chance für die heimische Industrie. "Die Gegenmaßnahmen machen Platz in den Geschäftsregalen für die Waren unserer Hersteller." Die Regierung sagte der russischen Landwirtschaft Hilfen über 50 Milliarden Rubel (gut eine Milliarde Euro) zu.

Nach Einschätzung von Bundesagrarminister Christian Schmidt (CSU ) ist Russland jedoch auf Lebensmittelimporte aus der EU angewiesen. Eine eigene Versorgung schaffe man nicht "mit einem Fingerschnippen". Gegen ukrainische Fluggesellschaften erließ Moskau ein Überflugverbot. "Ich schließe nicht aus, dass dieses Verbot auf West-Gesellschaften ausgeweitet werden könnte", sagte Medwedew.

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