Russische Resignation

Meinung · Egal, wohin der russische Premier Wladimir Putin reist, egal, wo er auftritt und vor wem, dieses Wort fällt immer: Stabilität. Es ist Putins beständigstes Versprechen an sein Volk. Und es ist offenbar auch seine einzige Legitimation

Egal, wohin der russische Premier Wladimir Putin reist, egal, wo er auftritt und vor wem, dieses Wort fällt immer: Stabilität. Es ist Putins beständigstes Versprechen an sein Volk. Und es ist offenbar auch seine einzige Legitimation. Er, der aus dem Nichts kam (oder vielmehr aus dem sowjetischen Geheimdienst KGB), habe das Land von den Knien wieder erhoben, habe es zu dem gemacht, was es ist, dem Volk wieder Vertrauen und Sicherheit geschenkt - so lautet seine Botschaft. Und diese ist durchaus richtig. Seit dieser Entwicklung ist mittlerweile aber ein Jahrzehnt vergangen, vieles ist passiert, was die Menschen in Russland bemängeln. Und dafür machen sie nicht mehr den lange heftig kritisierten Ex-Sowjet-Chef Michail Gorbatschow und den nicht minder gehassten Ex-Präsidenten Russlands, Boris Jelzin, verantwortlich, sondern immer mehr die Regierungspartei "Einiges Russland". Sie wurde vom Wähler nun abgestraft.Auf nicht einmal 50 Prozent kam die Einheitspartei nach den ersten Prognosen bei den Duma-Wahlen. Gemessen an den Erwartungen ist das praktisch eine Bankrotterklärung durch das Volk. Spätestens jetzt müsste Putin merken, dass seine vielgepriesene Stabilität in den Stillstand führt. In die Enttäuschung und Ermüdung über die immer gleichen Gesichter an der Staatsspitze, die immer gleichen Parolen im Fernsehen. In die Resignation und die Emigration, die viele Russen inzwischen wählen.

Putins Pseudo-Demokratie hat bei den Parlamentswahlen weitere Risse bekommen. Sie werden vorerst wohl nicht zum Aufstand führen, den Russen aber nach und nach das wahre Gesicht ihrer Machthaber offenbaren. Mit aller Kraft und einem enormen finanziellen Aufwand zeigt das Tandem Putin/Medwedew, dass es sich an die Macht krallt. Die Doppelspitze gibt sich wie ein Herrscherhaus, das sein Volk für dumm hält. Warum sonst der Aufwand für Hacker-Attacken gegen die Webseiten von Oppositionellen, warum die Festnahmen unabhängiger Beobachter und der Druck auf liberale Medien, wenn die Stabilität so groß ist, der Sieg so deutlich? Wofür die althergebrachte Rhetorik von den Feinden aus dem Westen, der den "starken, glücklichen, russischen Staat" mit Geldspritzen für Nichtregierungsorganisationen unterwandere? Die Panik der Staatsmacht zeigt, wie instabil die Lage im russischen Machtgefüge in Wahrheit ist.

Mag Präsident Dmitri Medwedew die gestrige Abstimmung als "die ehrlichste Wahl in der jüngsten Geschichte Russlands" bezeichnen, mag sein Erfüllungsgehilfe Wladimir Tschurow von der Wahlkommission von "kristallklaren Ergebnissen" sprechen, eines ist transparent: welch schmutzige Tricks Putin inzwischen benötigt, um die Oberhand zu behalten.

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