Ringen um PraktikerAktionäre stimmen Kapitalerhöhung zu

Hamburg/Kirkel. Es war die wohl interessanteste Hauptversammlung des Jahres. Das Aktionärstreffen von Praktiker gestern in Hamburg mutierte zum Krimi mit gegenseitigen Vorwürfen, schreienden Aktionären und Deals im Hinterzimmer. Am Ende sah alles nach einer Einigung in letzter Minute aus. Dabei stand am Morgen eine Totalblockade im Raum

Hamburg/Kirkel. Es war die wohl interessanteste Hauptversammlung des Jahres. Das Aktionärstreffen von Praktiker gestern in Hamburg mutierte zum Krimi mit gegenseitigen Vorwürfen, schreienden Aktionären und Deals im Hinterzimmer. Am Ende sah alles nach einer Einigung in letzter Minute aus. Dabei stand am Morgen eine Totalblockade im Raum. Großaktionärin Isabella de Krassny lehnte die vorgestellte Finanzierungsstrategie von Vorstand und Aufsichtsrat ab. Und sie hatte die Möglichkeit, das Zünglein an der Waage zu sein, denn mit ihren über 15 Prozent Stimmrechten hatte sie angesichts einer überraschend geringen Aktionärspräsenz von nur 26,9 Prozent die absolute Mehrheit. Vorstand und Aufsichtsrat mussten sich nicht nur von de Krassny massive Vorwürfe anhören. Auch zahlreiche Aktionäre legten ihnen einen Rücktritt nahe. "Sie können es nicht", sagte Michael Neumann von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK). "Ich kann Ihnen den Rücktritt nur nahe legen". Vorstand und Aufsichtsrat hätten das Unternehmen an den Rand des Ruins gewirtschaftet, sekundierte Dirk Unrau von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). Und Kleinaktionär Manfred Klein beklagte: "Sie haben die Aktie in die Nähe eines Schokoriegels zerschreddert." Vorstand und Aufsichtsrat mussten sich massive Vorwürfe gefallen lassen, sei es der Umzug nach Hamburg, seien es die überstürzten Vorstandswechsel im vergangenen Jahr, seien es die Schwenks bei der Sanierung. "Es ist gottverdammt fahrlässig, dass wir seit einem Jahr keinen echten Vorstand haben, der das Geschäft versteht", sagte de Krassny.Hier genau will die Österreicherin ansetzen. Sie präsentierte nicht nur ein alternatives Finanzierungskonzept, sie hat auch mit dem früheren Obi-Manager Andreas Sandmann einen Baumarkt-Manager an der Hand, dem sie zutraut, die Kette doch noch zu retten.

Streitpunkt über mehrere Stunden war zwar das Finanzierungskonzept, das nicht nur das wertvollste Asset des Konzerns, die Baumarktkette Max Bahr, verpfändet, sondern gleichzeitig einen mit 15 Prozent sehr teuren Kredit beinhaltet und auch noch über eine Kapitalerhöhung auf das Doppelte des Grundkapitals die Anteile der Aktionäre stark verwässert.

Um die Zustimmung der Aktionäre zu erreichen, hatten die Vorstände Kay Hafner und Markus Schürholz vor allem auf emotionale Appelle und einen Imagefilm gesetzt. Mehrfach fiel das Wort "alternativlos", hier und da auch "Insolvenz" und auch von der "Treuepflicht der Aktionäre" war die Rede.

Doch diese sahen die Treuepflicht eher bei den Managern auf dem Podium, und sie fühlten sich durch die Insolvenzdrohungen unter Druck gesetzt. Applaus dagegen bekam de Krassny bei ihrer emotional vorgetragenen Rede. Sie sprach davon, wie sie bereits seit November an einem Alternativ-Konzept arbeitet. Sie führte auch aus, dass sie zu besseren Konditionen Geld von Investoren zur Verfügung stellen kann. Allerdings steht auch das Konzept von de Krassny auf dünnem Eis, denn mehr als 55 Millionen kann sie aktuell nicht bereitstellen.

Am Ende gab es dann aber einen Deal im Hinterzimmer. Isabella de Krassny setzte sich zumindest teilweise durch: Zwei Aufsichtsratsmitglieder, Kay Hafner und Ebbe Pelle Jacobsen, traten zurück. Hamburg. Praktiker hat gestern von seinen Aktionären die nötige Zustimmung zur Kapitalerhöhung und zur Ausgabe einer Optionsanleihe in Verbindung über einen Kredit zur Finanzierung eines neuen Sanierungskonzepts erhalten. Die Sitzverlegung nach Hamburg sowie die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat fanden keine Mehrheit.

Großaktionärin Isabella de Krassny kündigte an, nur die Aufsichtsratsmitglieder Norbert Bensel und Ulrich Grillo zu entlasten, die auf einen Kompromiss mit hingewirkt hätten. De Krassny hofft, über eigene Vertreter im Aufsichtsrat die Verhandlungen mit dem Kreditgeber Anchorage Capital nun so führen zu können, dass die Gefahr vermieden wird, die Praktiker-Tochter Max Bahr zu verlieren.

Praktiker ist in einer denkbar schlechten Lage. Erstmals sprach der Vorstand gestern bei der Hauptversammlung offen von drohender Insolvenzgefahr, das Unternehmen hat im vergangenen Jahr bei einem Umsatz von 3,2 Milliarden Euro über 500 Millionen Euro Verlust gemacht. Finanzvorstand Markus Schürholz sagte, die Liquidität reiche noch bis zum ersten Quartal des kommenden Jahres. Bei der Hauptversammlung hat Vorstandschef Kay Hafner ein Restrukturierungskonzept erläutert, das vorsieht rund 130 Praktiker-Märkte auf die erfolgreichere Schwestermarke Max Bahr umzuflaggen und die verbleibenden Praktiker-Märkte mit geschärftem Profil weiter zu betreiben. Dieses sei die einzige Möglichkeit, den Konzern wieder auf Spur zu bringen, sagte Hafner.

Dieses Konzept soll über einen Kredit von Anchorage Capital in Höhe von 85 Millionen Euro finanziert werden. Dieser mit mit über 15 Prozent nicht nur hoch verzinst, er ist auch noch mit der Unternehmens-Perle, Max Bahr, besichert. Besonders hier sieht de Krassny große Risiken. jwo

Foto: Warmuth/dpa

Meinung

Die Geduld

ist zu Ende

Von SZ-RedakteurJoachim Wollschläger

Dass die Geduld der Praktiker-Aktionäre erschöpft ist, die gestrige Hauptversammlung hat dies dramatisch bestätigt. Dass einzelne Aktionäre den Unternehmenskurs kritisieren, ist normal, dass aber kein einziger Aktionär gute Worte für die Unternehmensführung findet und dass auf breiter Front Rücktritte des Aufsichtsrats gefordert werden, sollte dem Management zu denken geben. Praktiker, da hat Großaktionärin Isabella de Krassny Recht, braucht dringend gestandene Baumarkt-Manager, die von der Materie Ahnung haben. Keinen Karstadt-Sanierer Thomas Fox und keinen ehemaligen Wal-Mart Manager Kay Hafner. Die Personaldebatte ist eröffnet. Es stellt sich nur die Frage, ob dem angeschlagenen Baumarkt-Konzern noch genügend Zeit bleibt, sich neu auszurichten.

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