Richter werfen Anwälten Betrug in Wirtschaftsverfahren vor

Düsseldorf. Richter des Düsseldorfer Oberlandesgerichts haben Rechtsanwälten systematischen Betrug zulasten der Staatskasse bei großen Wirtschaftsverfahren vorgeworfen. So werde der Streitwert solcher Verfahren inzwischen "beinahe regelmäßig" zu niedrig angesetzt, um Gerichtsgebühren zu sparen, kritisierte das Gericht in einem Beschluss (Az.: I-2 W 15/11)

Düsseldorf. Richter des Düsseldorfer Oberlandesgerichts haben Rechtsanwälten systematischen Betrug zulasten der Staatskasse bei großen Wirtschaftsverfahren vorgeworfen. So werde der Streitwert solcher Verfahren inzwischen "beinahe regelmäßig" zu niedrig angesetzt, um Gerichtsgebühren zu sparen, kritisierte das Gericht in einem Beschluss (Az.: I-2 W 15/11). Einer Anwaltskanzlei warfen die Richter sogar "gemeinschaftlichen versuchten Betrug" vor. In dem konkreten Fall hatten die Anwälte den Streitwert eines Verfahrens auf fünf Millionen Euro beziffert, die Richter kamen aber auf den gesetzlichen Höchstbetrag von 30 Millionen Euro. Tatsächlich sei es bei dem Streit um ein Patent für den Mobilfunkstandard UMTS sogar um zwei Milliarden Euro Umsatz gegangen.Mit den eingesparten Gerichtsgebühren, die nach dem Streitwert bemessen werden, eröffneten sich die Anwälte "weiteren Spielraum für die Abrechnung zusätzlichen eigenen Honorars", vermuten die Richter in ihrem Beschluss. Eine "bewusste Vorenthaltung" von Gebühren könne nicht hingenommen werden.

Hintergrund ist, dass die Anwaltskanzleien mit den Unternehmen bei Wirtschaftsverfahren nach Stundensatz abrechnen, nicht nach Streitwert. Ein niedriger Streitwert schmälert somit in solchen Fällen nur die Gerichtsgebühren, nicht das Salär der Anwälte. Der Deutsche Anwaltverein wies die Kritik des Oberlandesgerichts zurück: "Der Grundverdacht ist für mich nicht nachvollziehbar", sagte Rechtsanwalt Herbert Schons, Vize-Präsident des DAV. Es sei schließlich "ein Risiko für jeden Anwalt", den Streitwert - und damit seine eigene Mindest-Honorierung - zu niedrig anzusetzen. Ein siegreicher Anwalt schädige damit seinen Mandanten, weil der bei einem geringen Streitwert einen entsprechend geringen Teil seiner Anwaltskosten vom unterlegenen Prozessgegner erstattet bekomme. "Mit der anwaltlichen Praxis, die ich kenne, ist das nicht in Einklang zu bringen", sagte Schons. dpa

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort