Revolutionäres Potential in Merzig

Merzig · Von wegen Alt-68er: Der 68-jährige Liedermacher Konstantin Wecker ist vitaler denn je und sprühte in Merzig vor Sangeslust. Dabei stand die Richtung fest: links herum, aber mit viel Poesie.

 Konstantin Wecker in der Merziger Stadthalle. Foto: Ruppenthal

Konstantin Wecker in der Merziger Stadthalle. Foto: Ruppenthal

Foto: Ruppenthal

. Das hat Konstantin Wecker gar nicht gebraucht, um sein Revoluzzer-Blut in Wallung zu bringen. Aber von der angekündigten Protest-Demo der rechtsradikalen Truppe "Sagesa" gegen den linken Barden war am Donnerstagabend vor der Stadthalle Merzig nichts zu sehen, als die zumeist älteren Semester hineinströmten. Der Bayer Wecker, rote Hose und graues Sakko, gab gleich die politische Richtung vor: "Nie mehr Söder und Seehofer, nur noch Hegel und Brecht", rief er den mehr als 600 Zuhörern zu. Die schienen sich nach solchen Sätzen zu sehnen, Applaus und Jubelrufe umrahmten den feurig-linken Abend. Wecker umhegte seine Fans aber nicht nur in politischer Hinsicht, als er die SPD als "rosaroten Wurmfortsatz der CDU " titulierte. Nein, seine poetischen Liedtexte, seine berührenden Arrangements ernteten den meisten Beifall.

Besonders seine Duette mit der 27-jährigen Straßenmusikantin Cynthia Nickschas ("Was für ein Gefühl, tiefer als das Meer; doch wie tief ist das Meer?") zeigten die Offenheit des Liedermachers für Neues. Auch als seine hervorragende Begleitband mit Fany Kammerlander (Cello), Wolfgang Gleixner (Drums) und Jo Barnickel (Tasten, Gitarre) ihn musikalisch mit ihren I-Phones begleitete, bewies Wecker ironisch, dass er up-to-date ist. Ohne dabei seine Wurzeln ("Ich bin Anarchist") zu verraten. Die Hilfsbereitschaft für Flüchtlinge mache ihm Hoffnung. "Denkt mit den Herzen! Besiegen wir den Hass durch Zärtlichkeit!": Weckers Thesen fanden begeisterten Widerhall, sein Wunsch, die Refrains mitzusingen, ebenso.

Nach zwei Stunden Konzert schafften es die Zuhörer, Wecker und seine Band zu 40 Minuten Zugaben zu bewegen: Besonders bejubelt wurde das Revolutions-Lied und die Erinnerung an den Münchner Dichter Oskar Maria Graf, der im Frühjahr 1919 im Mathäser Bräu nach einer hitzigen Diskussion gesagt haben soll: "Ja, da machen mer halt a Revolution, damit amal a Rua is." Wecker ging durch die Zuhörerreihen, umarmte in Reihe 13 auf Platz 16 den derzeit berühmtesten Merziger, Oskar Lafontaine . Und sang als letztes Lied den Titel seiner neuen Platte und seiner Tournee "Ohne Warum". Mit heißen Herzen entließ Wecker seine Fans in eine kalte Nacht.

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