Reservate der Einsamkeit

Frankfurt. Das Paradies ist nicht immer gleich um die Ecke. Der Londoner Maler Peter Doig verlegte im Herbst 2002 seinen Wohnsitz von der britischen Metropole auf die Karibik-Insel Trinidad. Hier, in der multikulturell-brodeligen Hafenstadt Port of Spain, lebt und arbeitet er nun, fernab von den Partys und Ausschweifungen der eitlen Londoner Kunstszene

 "Figuren in einem roten Boot" von Peter Doig. Foto: dpa

"Figuren in einem roten Boot" von Peter Doig. Foto: dpa

Frankfurt. Das Paradies ist nicht immer gleich um die Ecke. Der Londoner Maler Peter Doig verlegte im Herbst 2002 seinen Wohnsitz von der britischen Metropole auf die Karibik-Insel Trinidad. Hier, in der multikulturell-brodeligen Hafenstadt Port of Spain, lebt und arbeitet er nun, fernab von den Partys und Ausschweifungen der eitlen Londoner Kunstszene. Doch der hat sich der Individualist Doig eigentlich zugehörig gefühlt.

1959 im schottischen Edinburgh geboren, verbrachte er bereits einen Teil seiner Kindheit in Trinidad und später in Kanada, bevor er in London Kunst studierte. Doig hat sich vom Alltag des westlichen Kunstbetriebs vorerst verabschiedet, die Hektik des Ausstellungskarussells gegen den blauen Karibikhimmel eingetauscht. Hier ist er nicht der Malerstar, der Ende der 80er Jahre als einer der ersten die gegenständliche Malerei wieder salonfähig gemacht hat. Und hier weiß keiner, dass vor kurzem ein anonymer russischer Sammler eines seiner Bilder für den Rekordpreis von 5,7 Millionen Britische Pfund bei Sotheby's ersteigert hat.

Seit sechs Jahren pinselt Doig also im Paradies. Der Vergleich mit frühen Aussteigern wie Paul Gauguin liegt nahe, doch Doig wiegelt ab: "Ich liebe Gauguin, aber ich glaube, das ist einfach ein zu großes Klischee vom Maler, der in die Tropen geht."

Eine große Retrospektive des 49-Jährigen zeigt jetzt die Frankfurter Schirn Kunsthalle. Die Schau, die 50 Gemälde, zahlreiche Zeichnungen und 130 gemalte Filmposter aus den vergangenen 20 Jahren versammelt, war zuvor bereits in der Londoner Tate Modern zu sehen.

Doigs Bildern haftet etwas Halluzinatorisches an. Sein Personal weltverlorener Waldspaziergänger, Strandwanderer und gestrandeter Flaneure im Outfit Manet'scher Absinthtrinker übt sich in Exerzitien der Einsamkeit. Eingeborene in weißen Hemden verharren da in einem roten Boot, das einen giftig-grünen See mit angrenzendem Palmenhain befährt. Ein junger Mann huscht mit einem toten Pelikan vorüber. Doig stellt Landschaft nicht als unberührtes, romantisches Gegenstück zur urbanen Metropolis dar. Bei ihm ist Landschaft immer bereits von Zivilisationsspuren durchzogen: Telefondrähte, einsame Gasthöfe im Wald, Schlittschuhspuren auf einem zugefrorenen See. Sie formen das Raster, in dem sich Doigs schattenhafte Protagonisten gegen ihre feindliche Umwelt und ihre eigene innere Zerrisenheit zu behaupten suchen.

Nichts ist, wie es scheint. Doig ist ein Meister der ästhetischen Fallstricke, der kunsthistorischen oder cineastischen Zitate. Während der Maler in den 90er Jahren noch Schneelandschaften mit einsamen Figuren, urbane Szenen und Architektenhäuser im Wald malte, ist er jetzt in der flimmernden Hitze der Tropen angekommen. Seine Bilder jedoch malt er am liebsten aus der Erinnerung. So entstehen in Trinidad kanadische Schneelandschaften, während im Londoner Atelier Motive aus der Karibik gemalt werden.

Seit einiger Zeit veranstaltet Doig einmal wöchentlich in einer ehemaligen Rumfabrik in Port of Spain Filmabende mit westlichem Kino. Zur Ankündigung jeder Vorführung malt er ein Filmplakat und hängt es nach draußen. 130 Exemplare sind jetzt in Frankfurt zu sehen.

Mit der Vereinnahmung durch das Establishment hat Doig nach wie vor so seine Probleme: "Meine Bilder waren eigentlich als Angriff auf den so genannten Guten Geschmack gemeint," sagt er. "In Auktionskatalogen werden sie heute als 'Meisterwerke' bezeichnet. Ein Ausdruck, den ich selbst nie verwenden würde."

Läuft bis 4. Januar 2009

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