Regler und die Folgen: Zurück in die Zukunft

Saarbrücken · An den Streit mit Ex-Archivleiter Günter Scholdt will sein mittlerweile gut vier Jahre mit Bedacht und Charme agierender Nachfolger Sikander Singh zum 30-jährigen Archivjubiläum lieber nicht mehr erinnert werden. Singh und sein Stellvertreter Hermann Gätje schauen lieber in die Zukunft. Die bringt 2016 zunächst einmal einen (Rück-)Umzug.

"Übergänge, Brüche, Annäherungen" ist der 31 mehr oder weniger literaturwissenschaftlich gehaltene Aufsätze umfassende Sammelband (hrsg. von Sikander Singh/Hermann Gätje, 549 S., illimité-Schriftenreihe), den das Saarbrücker Literaturarchiv zu seinem 30-jährigen Bestehen am Donnerstag (18.30 Uhr) in einer Feierstunde vorstellt. Er spannt einen Bogen vom 18. Jahrhundert bis heute und problematisiert en passant, "inwieweit das Konzept der Grenze ein Konstrukt ist" (Sikander Singh im Vorwort). Sind doch politische wie literarische Grenzziehungen willkürlicher, jedenfalls kategorischer, als dies einem genaueren Blick standhält. "Welcher Apfel ist französisch?", fragte schon Gustav Regler treffend in "Das Ohr des Malchus".

Die 31 verhandelten Prosawerke ergeben zwar keinen großregionalen Kanon, doch ihrer Textgenese nach einen Querschnitt regionalhistorisch verortbarer Werke - angefangen mit Goethes "Volksliedern" und Büchners "Lenz" über René Schickeles "Das Erbe am Rhein" und Otto Flakes "Fortunat" (in allen vier Fällen liegt der Deutungsfokus auf ihrem jeweiligen Elsass-Bezug) bis hin zu Ulrike Kolbs "Schönes Leben" oder Philippe Claudels "Brodecks Bericht". Einige der meist etwa 20-seitigen Aufsätze verdienen eine Hervorhebung: so Johannes Birgfelds Ausgrabung von Therese Hubers "Familie Seldorf" als einem der "bemerkenswertesten deutschsprachigen Romane des späten 18. Jahrhunderts", Thomas Lischeids Erinnerung an Hans Arps Textsammlung "die wolkenpumpe" oder Ramona Weiershausens Einordnung von André Weckmanns Elsass-Roman "Odile oder das magische Dreieck". Unterm Strich zeigt der Band einmal mehr, dass das Saarland in der Großregion literarhistorisch nicht unbedingt den größten Nimbus aufwies.

Do, 18.30 Uhr, Buchvorstellung im Literaturarchiv (Zeile 6, Uni-Campus Dudweiler).

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