Regler, Otto Flake und die Kunst der lebendigen Erinnerung

Saarbrücken · Gleich zwei neue Bücher haben Sikander Singh und Hermann Gätje vom Literaturarchiv Saar-Lor-Lux am Mittwoch in der Staatskanzlei vorgestellt – jeweils eines zu Gustav Regler und zu Otto Flake. Nicht beide scheinen gelungen zu sein.

"Leben und Leben schreiben", zwei Seiten eines Schriftstellerlebens, denen sich der Saarbrücker Germanist Hermann Gätje in seiner Doktorarbeit angenommen hat. Wie sich einer das von den Zeitläuften zerfurchte Leben glättet, die kränkelnde Ehe zum liebevollen Miteinander macht, das Verhältnis zum Stalinismus mildert, wie er sein eigenes Leben beschreibt - das hat Gätje anhand der Regler-Autobiografie "Das Ohr des Malchus" erforscht. Der Anlass ist gegeben, begeht man doch in diesem Jahr den 50. Todestag des Schriftstellers. Doch holt er Reglers Leben und Werk jenseits des bloßen Erinnerns in die Gegenwart, in der durch die Wechselbeziehung von gelebtem und geschriebenem Leben der Mensch Regler Kontur gewinnt.

Wie die Wissenschaft ein Bild zeichnet, das eher ver- denn aufklärt, führte das zweite an diesem Abend vorgestellte Buch vor. Auch der in Saargemünd geborene und in Colmar, Metz und Straßburg aufgewachsene Otto Flake (1880-1963) war "verwurzelt in der Region", wie Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer in ihrer Begrüßung feststellte. Doch das bleibt ein leeres Wort angesichts der aktuellen Publikation der vom Literaturarchiv Saar-Lor-Lux und Elsass herausgegebenen Reihe "illimité" - eine Sammlung an Erzählungen Flakes aus fünf Jahrzehnten mit dem Titel "Zwischen den Zeiten". Warum gerade die mechanisch abgespulten Erzählungen des Vielschreibers dafür einstehen, statt dessen Feuilletons über das Elsass, Lothringen und den Oberrhein, bleibt fragwürdig. In denen spielt Flake seine Stärke aus, Beobachtungen literarisch auszuformen und kulturgeschichtlich einzubinden. Verständlich, dass der Herausgeber und Leiter des Literaturarchivs, Sikander Singh, gestand: "Man muss nicht alle lesen."

Zweifelsohne ist Flake, wie Singh feststellte, "ein niederer Gipfel" im Gebirge der Literatur, den er mit wolkigen Worte umnebelte. "Eingepackt, gesichtet und zuerst einmal gar nichts" machen, im Dunkeln lassen, um die Blätter vorm Säurefraß bewahren, beschrieb Singh daraufhin im Gespräch mit dem Germanisten Johannes Birgfeld den Erstkontakt mit dem vergangenes Jahr erworbenen Teilnachlass Flakes. Das klingt ehrlicher, als damit eine Publikation anzugehen, von deren Qualität man nicht überzeugt scheint.

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