Raue Zeiten für deutsche Wirtschaft

Wiesbaden. Die Euro-Krise und der weltweit schwächelnde Konjunktur würgen den deutschen Wirtschaftsaufschwung ab. Nach zwei außerordentlich starken Jahren stehen jetzt rauere Zeiten bevor. Zum Jahresende 2011 gab es den ersten deutlichen Dämpfer: Die Wirtschaft schrumpfte im vierten Quartal

Wiesbaden. Die Euro-Krise und der weltweit schwächelnde Konjunktur würgen den deutschen Wirtschaftsaufschwung ab. Nach zwei außerordentlich starken Jahren stehen jetzt rauere Zeiten bevor. Zum Jahresende 2011 gab es den ersten deutlichen Dämpfer: Die Wirtschaft schrumpfte im vierten Quartal. Das Statistische Bundesamt äußerte sich gestern trotzdem vorsichtig optimistisch für das Jahr 2012: Zwar werde der Start wohl etwas schwächer, es sei aber mit einer "gewissen Robustheit der konjunkturellen Entwicklung" zu rechnen.Im vergangenen Jahr trotzte die deutsche Wirtschaft mit einem der besten Jahresergebnisse seit der Wiedervereinigung der Krise im Euroraum. 3,0 Prozent Plus beim Bruttoinlandsprodukt (BIP) errechnete das Statistische Bundesamt anhand vorläufiger Daten. Haupttreiber des Wachstums waren die Konsumfreude der Verbraucher und kräftige Investitionen. Die privaten Konsumausgaben legten so stark zu wie zuletzt vor fünf Jahren: um 1,5 Prozent. Staat und Unternehmen investierten in Maschinen, Geräte und Fahrzeuge deutliche 8,3 Prozent mehr als im Vorjahr. "Die konjunkturelle Erholung hat sich auch im zweiten Jahr nach der Wirtschaftskrise fortgesetzt", bilanzierte der Präsident des Bundesamtes, Roderich Egeler. Für das laufende Jahr rechnen Volkswirte im Schnitt allenfalls mit einem Plus von 0,5 Prozent. "Im Jahr 2012 wird die Konjunktur von der Krise im Euro-Raum überschattet", sagte Simon Junker, Konjunkturexperte des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). "Sowohl die Exporte als auch die Inlandsnachfrage werden vorübergehend einen Dämpfer erhalten."

Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer erwartet für Deutschland 2012 gar nur eine Stagnation. Die Europäische Zentralbank (EZB) habe zwar mit weit geöffneten Geldschleusen die Lage entspannt, lösen könne sie die Staatsschuldenkrise aber nicht. Die Deutsche Bank hält eine Rezession in Deutschland für wahrscheinlich: Die Unsicherheit über die Entwicklung der Schuldenkrise und die zunehmende Sparpolitik in der Euro-Zone belasteten die deutsche Konjunktur.

Genährt wird solcher Pessimismus von Daten für das vierte Quartal 2011, das in die Jahreszahlen des Bundesamtes bislang nur als Schätzung eingeflossen ist. Demnach schrumpfte das BIP in den letzten drei Monaten des vergangenen Jahres zum Vorquartal leicht, "schätzungsweise um 0,25 Prozent".

Den Absturz in eine Rezession - mit mindestens zwei Quartalen mit schrumpfender Wirtschaftsleistung - erwarten viele Volkswirte dennoch nicht. Andreas Rees (Unicredit) und Rolf Schneider (Allianz) weisen darauf hin, dass die jüngsten Unternehmensumfragen eher positive Signale brachten und der Arbeitsmarkt sich zuletzt stabil zeigte. "Der schwächere Euro-Kurs wird ein zusätzlicher Puffer für exportorientierte Unternehmen sein", sagte Rees.

Meinung

Grund zur Beunruhigung

Von SZ-KorrespondentStefan Vetter

Zweifellos kommt Deutschland besser durch die ökonomische Flaute als die meisten anderen Industriestaaten. Doch erste Wolken sind unübersehbar. Für das letzte Quartal verzeichnen die Statistiker ein leichtes wirtschaftliches Minus. Das ist kein Grund zur Panik. Doch deutet sich damit an, dass sich Deutschland nicht von den weltwirtschaftlichen Krisensymptomen abkoppeln kann. Es ist blauäugig zu glauben, die Bundesregierung wäre dafür ausreichend gewappnet. Im Gegenteil: Mit ihren Versprechen für Steuersenkungen und zweifelhafte soziale Wohltaten wie dem Betreuungsgeld tut sie so, als lasse sich die ökonomische Großwetterlage ignorieren. Zumindest das ist ein Grund zur Beunruhigung.

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