Rauchzeichen

Leipzig/München. Er hat viele Bewunderer und Fürsprecher, jedoch ebenso viele Gegner. Am Werk des Leipziger Malers Neo Rauch, Jahrgang 1960, lässt sich eine tiefe Zäsur zwischen den verschiedenen Fraktionen des Kunstbetriebs festmachen. Die einen werfen dem prominentesten Vertreter der Neuen Leipziger Malerschule eine konservative, rückwärtsgewandte und allzu traumwandlerische Haltung vor

 Ein typischer Rauch: Das Gemälde "Die Fuge" von 2007. Foto: VG BildKunst/Neo Rauch/ Verlag Hatje Cantz

Ein typischer Rauch: Das Gemälde "Die Fuge" von 2007. Foto: VG BildKunst/Neo Rauch/ Verlag Hatje Cantz

Leipzig/München. Er hat viele Bewunderer und Fürsprecher, jedoch ebenso viele Gegner. Am Werk des Leipziger Malers Neo Rauch, Jahrgang 1960, lässt sich eine tiefe Zäsur zwischen den verschiedenen Fraktionen des Kunstbetriebs festmachen. Die einen werfen dem prominentesten Vertreter der Neuen Leipziger Malerschule eine konservative, rückwärtsgewandte und allzu traumwandlerische Haltung vor. Andere, darunter mächtige Museumsdirektoren und Kunsthistoriker, vergleichen den stillen deutschen Malerstar bereits mit historischen Größen wie El Greco, Tintoretto oder Tizian. Fest steht, an Neo Rauch kommt zur Zeit keiner vorbei.

Fanatisierte Sammler

Seine narrativ-surrealen Gemälde produziert er, offenbar unbeirrt von den Lockrufen der Kunstmetropolen Berlin und New York, bis heute in seinem angestammten Atelier in der Leipziger Baumwollspinnerei. Etwa zehn Stück entstehen pro Jahr. Vor allem bei amerikanischen Großsammlern sind sie stark gefragt. Sein findiger Galerist Gerd Harry Lybke von der Galerie Eigen+Art führt seit Jahren Wartelisten. Er hat viele von Neo Rauchs Werken in amerikanische Privatsammlungen vermittelt. Gerade in den USA wird seine allegorisch-märchenhafte Form der malerischen Weltaneignung sehr geschätzt. Das New Yorker Metropolitan Museum of Art richtete ihm bereits 2007 eine große Einzelausstellung aus.

Zu seinem 50. Geburtstag wird Neo Rauch jetzt auch bei uns mit einer großen Doppelausstellung in seiner Heimatstadt Leipzig und in München geehrt. Hans-Werner Schmidt, langjähriger Wegbegleiter Rauchs, hat als Direktor des Museums der bildenden Künste Leipzig zusammen mit Bernhard Schwenk, Kurator an der Münchner Pinakothek der Moderne, für diese Retrospektive mit dem vieldeutigen Titel "Begleiter" eine Auswahl von 120 Gemälden von 1993 bis 2010 getroffen. Jeweils 60 Gemälde sind in den beiden Museen zu sehen. Viele davon waren sehr lange nicht mehr in Europa ausgestellt. Andere sind gerade erst fertig geworden.

Allegorischer Traumkosmos

Während Rauchs frühere Bilder noch in einer nostalgischen Empfindsamkeit den gesellschaftlichen und strukturellen Veränderungen der Nachwendezeit nachspürten, entwirft er auf seinen jüngeren, tableauartigen Gemälden einen allegorischen Traumkosmos, bevölkert von historisch aufgeladenen Figuren der Geistes- und Kunstwelt. Diese seltsam kostümierten Stellvertreterfiguren führen, wie stets bei Rauch, rätselhafte Verrichtungen aus. So zeigt das 2008 entstandene Bild mit dem zeitgeschichtlich aufgeladenen Titel "Fluchtversuch" vier derangiert wirkende Personen in historischer Kleidung, die nach einem Achsenbruch ihrer Kutsche in einer von Bodennebel und glutroten Wolkenschwaden beherrschten Landschaft à la C.D. Friedrich gestrandet sind. Hier, wie in den meisten Bildern Neo Rauchs öffnet sich für den Betrachter ein weites Assoziationsfeld, angereichert durch viele symbolisch-rätselhafte Gegenstände, Landschaftsüberhöhungen, bedeutungsvolle Gesten der Protagonisten und seltsame Maßstabsverschiebungen.

Ob man sich auf komplizierte Interpretationen der an Deutungsmaterial reichen Bilder einlassen mag oder nicht: Unbestritten ist der virtuose Umgang des Leipzigers mit Farbe und Pinsel. Hier steht Neo Rauch in der großen Tradition der handwerklich exzellenten Ausbildung an der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst, wo er bis 2009 als Professor lehrte. Die oft scharf und mitunter auch ungerecht vorgetragene Kritik an seinem eher naturalistisch-konservativen Malstil und seiner subjektiven, antimodernen Wahl der Bildsujets trieb Neo Rauch in den letzten Jahren in eine teils verbal, vor allem aber malerisch geführte Auseinandersetzung mit seinen Kritikern. So thematisiert er gleich in mehreren Bildern das zwiespältige Verhältnis zwischen Kritik und Kunstproduzent.

Das 1998 entstandene Gemälde "Unerträglicher Naturalismus" zeigt einen Maler, wie er statt eines Pinsels ein Gewehr in der Hand hält und damit auf einen Pappkameraden zielt, der stellvertretend für den schreibenden Kritiker steht. Auch wenn man seinen eigentümlich-zeitverlorenen Malstil problematisch findet - ignorieren sollte man diesen Maler auf keinen Fall.

Museum der bildenden Künste Leipzig bis 15.8. (Di-So: 10-18 Uhr, Mi 12-20 Uhr, www.mdbk.de)

Münchner Pinakothek der Moderne bis 15.8 (Di-So: 10-18 Uhr. Do: 10-20 Uhr, www.pinakothek.de)

 Ein typischer Rauch: Das Gemälde "Die Fuge" von 2007. Foto: VG BildKunst/Neo Rauch/ Verlag Hatje Cantz

Ein typischer Rauch: Das Gemälde "Die Fuge" von 2007. Foto: VG BildKunst/Neo Rauch/ Verlag Hatje Cantz

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