Rasend vor Liebe und Leidenschaft

Salzburg. Nach Peter Steins "Ödipus" und Jossi Wielers "Angst" ist auch Racines "Phädra" vor allem Schauspielertheater

Salzburg. Nach Peter Steins "Ödipus" und Jossi Wielers "Angst" ist auch Racines "Phädra" vor allem Schauspielertheater. Denn der Chef des Salzburger Burgtheaters, Matthias Hartmann, hat nicht nur einen im doppelten Sinne totsicheren, aber dennoch nicht totgespielten, Klassiker inszeniert, sondern sich vor allem auf das gesprochene Wort und das Charisma seiner Darsteller verlassen und virtuoses Star-Theater entfesselt. Was Vorzug und Problem zugleich ist. Einerseits überwältigt Sunnyi Melles als die von der Liebesgöttin gepeinigte Phädra, wenn sie mit der verbotenen Leidenschaft zu ihrem Stiefsohn Hippolytos kämpft. Sie lässt diese Liebe von innen lodern und bestaunt sie von außen. Der Regisseur lässt sie dabei aber nicht nur gewähren, sondern treibt sie an, ja aus dem Stück heraus. Bald bewundert man vor allem das, was die Melles macht. Wie weit sie damit aber über dem Stück schwebt, tobt, schreit und leidet, wird deutlich, wenn Paulus Manker als ihr tot geglaubter, heimkehrender Ehemann Theseus auftaucht. Und mit knappen Gesten die Sprache zu seiner Waffe macht. Oder, wenn Philipp Hauß seinen so wunderbar verstört, bedrängten, in Liebe zu Arikia (Sylvie Roher) erwachenden Hippolytos dem Begehren der rasenden Stiefmutter entzieht. Hartmann rückt Racines Tragödie als Beziehungsspiel um Liebe und Leidenschaft, um Täuschung und Verzweiflung mit überraschendem Spielwitz an uns heran, weil er Archetypisches in wiedererkennbaren Verhaltensmustern aufspürt. Es ist eine nette Jubiläumspointe im 90. Festspielsommer, dass ausgerechnet der Dauerbrenner "Jedermann" in seiner Überarbeitung durch Christian Stückl und neu besetzt mit Nicholas Ofczarek als Jedermann und Birgit Minichmayr (in der kleinen, aber in Österreich wie eine Staatsangelegenheit behandelten Rolle der Buhlschaft) zu den erfrischend positiven Überraschungen gehört. Von spitzen Pfeilen aus dem deutschen Feuilleton beschossen, doch unter dem begeisterten Jubel des Publikums. jl

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