Rache macht sauer

Der Fall Edathy nimmt tragikomische Züge an: Die Kanzlerin drängt einen Minister der eigenen Fraktion zum Rücktritt, dem alle Respekt zollen. Die Union ist außer sich vor Zorn und sinnt auf Rache.

Die SPD tänzelt mit Unschuldsmiene durch die Arena, als ginge sie die ganze Sache nichts an - während der Parteivorsitzende den virtuell "Angeklagten", der sich seinerseits über seine Ankläger beklagt, als eine Art Sittenstrolch vorverurteilt.

Berlin im politisch frostigen Februar 2014. Ein vager Verdacht mit unwägbaren Folgen hat die mühsam austarierte Koalition aus den Angeln gehoben. Heute soll ein Krisengipfel tagen, doch der wird ausgehen wie das Hornberger Schießen: viel Rauch um Nichts. Denn Angela Merkel dürfte so schlau sein, ihren Macho-Partnern Sigmar Gabriel und Horst Seehofer die Konsequenz eines Hahnenkampfes deutlich zu machen: Rache ist vielleicht süß. Aber sie macht sauer.

Wenn die Union in ihrer Sehnsucht nach dem biblischem Balsam des "Zahn um Zahn" darauf beharrt, dass auch bei der SPD Köpfe rollen, wird sie das Trennende in der Koalition stärken und das Verbindende schwächen. Am Ende stünde eine noch höhere Zahl an Verlierern im Trauerstück um die anstößigen Neigungen eines SPD-Politikers. Doch wie immer man es drehen und wenden will: Alle Chancen, einen potenziell pädophilen Bürger zu überführen, sind längst vertan. Die Staatsanwaltschaft in Hannover hat kaum einen Fehler ausgelassen, um den Fall unaufklärbar zu machen. Ihr Zaudern, nach den ersten Informationen über den Verdacht gegen Edathy unverzüglich aktiv zu werden, war womöglich politisch begründet: Sollten die Ermittler im rot-grün regierten Niedersachsen tatsächlich gegen einen prominenten Genossen vorgehen, obwohl die Indizienlage so dünn war?

Nun, nachdem alles zu spät ist, gilt es kühlen Kopf zu bewahren und drängende Fragen zu beantworten: Wer hat womöglich Einfluss genommen, dass Edathys Räume nicht schon im letzten Herbst durchsucht wurden? Wie kommt es, dass ein amtliches Schreiben geöffnet (!) und Tage zu spät den Bundestagspräsidenten erreicht? Vor allem: Welche Konsequenzen sind aus einem Fall zu ziehen, der soviel Bitterstoffe enthält, dass man spucken möchte?

Wenn sich die Union der Situation bewusst wird, dass der Fall Edathy ein Problem der SPD ist und nicht von CDU und CSU, wird sie der Dinge besser harren können. Da der Gärprozess in vollem Gange ist, kann schlichtes Abwarten klüger sein als hitzige Genugtuung. Die Bürger spüren jedenfalls sehr wohl, wer jetzt den Überblick behält und den Fokus auf das Wesentliche richtet. Das sind nicht die Interessen der Parteien. Sondern die des Landes.

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