Der Arbeitsalltag eines Schönheitschirurgen Psychologie mit dem Skalpell
Neunkirchen · Mirko Fuchs hat ein Problem: Er kann kein Blut sehen. Obwohl er fast täglich Brüste und Augenlider aufschneidet. Einblicke in den Arbeitsalltag eines Schönheitschirurgen.
Sie liegt da wie Jesus am Kreuz. Doch die Schöpfung, die war ihr nicht genug. Deshalb hat man sie fixiert. Die Arme, den Kopf. Aus dem Mund ragt ein sogenannter „Guedel-Tubus“. Es ist kurz nach 9 Uhr. Die junge Frau liegt unter Narkose im OP. Ihr zierlicher, mit Desinfektionslösung betupfter Oberkörper wartet auf Mirko Fuchs. Auf den Mann, der der Schöpfung auf die Sprünge hilft. „Face and Breast“ – Gesicht und Brust: sein Spezialgebiet. Heute befüllt er die Natur mit Silicon. 280 und 295 Gramm jeweils. „Asymmetrische Brüste“ nennt das der Fachmann. „Das macht die OP etwas schwieriger als sonst“, sagt Fuchs.
Die Frau ist 32. Mutter. Schlank. Jetzt ist sie verhüllt. Mit sterilen Abdecktüchern. Die Assistentinnen Elena, Kerstin und Petra positionieren die OP-Leuchten. Greller Scheinwerfer auf abgeklebte Brustwarzen. Sonst könnten Keime herausgelangen, erklärt Elena. Fuchs streift sich Handschuhe über. Zückt sein Handy und schließt es an. „Ich brauche das.“ Töne für das Schöne. Am liebsten „Ibiza-Chill-Musik“. Doch zunächst beträllert Justin Bieber den OP, während Fuchs sein elektrisches Messer zur Hand und die Probe-Implantate ins Visier nimmt. 90 Minuten wird die OP dauern. Normalerweise sind es bei Brustvergrößerungen nicht länger als 45 Minuten. Doch Fuchs muss das ungleiche Brustpaar so in Form bringen, dass die Rundung am Ende perfekt sitzt.
Mundschutz im Gesicht, Messer auf der Brustumschlagfalte. Wenige Sekunden später riecht es nach Gegrilltem. Der Strom des elektrischen Messers verbrennt das Gewebe, verschließt die Gefäße. „Ich kann kein Blut sehen“, sagt Fuchs. Alles sauber und steril. Im Hintergrund läuft „Havanna“ von Camila Cabello. Assistentin Elena hievt den oberen Teil der aufgeschnittenen Brust mit einem Haken hoch. Fuchs schaufelt sich seine Implantat-Tasche frei. Die „Höhle“, in der das Silicon später Platz findet. Wieder Desinfektion, bevor er das Probe-Implantat hineinstopft. Passt die Form?
Fuchs näht provisorisch zu, um das besser beurteilen zu können. Er zieht die Fäden durch das Fleisch und wippt zur Musik. Gute Laune zum teuren Spiel. Ein echtes Brustimplantat kostet zwischen 150 und 700 Euro. Eine Brustvergrößerung gibt es ab 5500. Probeimplantate sind ab 50 Euro zu haben. „Wenn das mal zu Boden fällt, ist gleich ein Batzen Geld weg.“ Deshalb schauen auch Petra und Elena ganz genau hin. Durchschnitts-Silicongewicht pro Brust: 300 bis 350 Gramm.
„Eine gute Brustvergrößerung sollte in normalen Klamotten nicht auffallen“, sagt der Experte. Dann lacht er wieder: „Viele Männer beneiden mich um den Job.“ Der „Sprücheklopfer“, wie er sich selbstironisch nennt, ist aber schnell wieder bei der Sache. Wieder Strom. Wieder stechender Fleischgeruch. Bis die Füllung sitzt. Wenige Minuten später: pralles Ergebnis. In 24 bis 48 Stunden sollte die Wunde verschlossen sein. Auch wenn die Narben bleiben werden.
Fuchs zückt wieder das Handy. Diesmal für Instagram. Brust-OP 4.0. Die Patientin hat nichts dagegen, Teil des digitalen Schaufensters von Belstetica zu sein. So heißt die ans Neunkircher Klinikum angebundene Praxis, in der der 43-Jährige seit 2013 als Arzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie arbeitet. Auch in München und der Schweiz hat er schon operiert. Zwischen drei bis sechs Brustpaare bekommt Fuchs pro Woche (beruflich) zu Gesicht. Doch seine nächste Patientin, die schon nebenan im Krankenbett wartet, hat ein anderes Problem. Fuchs begrüßt sie mit zwei Küsschen. Sie lächelt. Bald wird sie dabei weniger Falten haben. „Oberlid-Straffung“ im Fachjargon.
Noch ein Päuschen, bevor es weitergeht. Im zweiten Stock wartet der Kaffee. Dort, wo Fuchs seine Patienten empfängt und berät, fühlt man sich schnell wie zu Hause. Edles Schwarz-Weiß. Rahmen an der Wand. Viel Glas, viel Metall. Auf einen Ersttermin in der heimeligen Schönheitsstätte warten die Patienten im Schnitt ein halbes Jahr.
„Warum machen Sie das?“ Die Frage löst bei Fuchs Heiterkeit aus. Er muss nicht lange nachdenken: „Weil’s geil ist. Es ist mein Traumberuf.“ Chirurg wollte der zweifache Vater aus Ottweiler schon immer werden. 2003 begann er seine Ausbildung zum Facharzt. Die Branche sei jedoch nicht einfach. Ein falscher Handgriff, und der Ruf sei ruiniert. Mittlerweile komme die „Crème de la Crème“ zu ihm. Aber auch Menschen wie du und ich. „Von der Putzfrau bis zur Managerin“, wird Elena später sagen. „Man sollte jeden erst mal ernst nehmen“, sagt Fuchs. Plastische Chirurgie sei „Psychologie mit dem Skalpell“. Ein frauendominiertes Feld. 90 Prozent seiner Kunden sind weiblich. Gelegentlich kommen sie auch von weiter her. „Aus Luxemburg eher als aus Frankreich.“ Und natürlich viele Saarländerinnen.
OPs nach Unfällen und Tumoren biete er nicht an. „Reine Ästhetik.“ Genau sein Ding. Der Meister selbst spritzt sich seit einigen Jahren Botox. Das tun auch seine vier Mitarbeiter.
Im Fall von Office Manager Sascha kann man sich die Frage nicht verkneifen, was an ihm eigentlich noch echt ist. Aber das beleidigt den herzlichen jungen Mann nicht. Ganz im Gegenteil. Er zählt offen auf, als ginge es um den Einkauf fürs Wochenende. Wangen, Lippen, Kinn, Kiefer, Nase, Bauch, Hüfte, Rücken. Nahezu alles ist zurechtgestutzt, gefüllt, geglättet. „Vor zehn Jahren habe ich mit den Lippen angefangen“, sagt der 32-Jährige. „Und dann leckt man Blut.“ Man vergesse irgendwann den Schmerz. Eine Art Sucht? „Ja, ein wenig schon.“ Doch das sei seine persönliche Entscheidung. „Wir reden den Leuten keine Komplexe ein, die sie nicht haben.“ Wer Fuchs aufsuche, habe sich die Sache gut überlegt. Deshalb sei es auch wichtig, ehrlich zu sein. „Man kann aus einer Cindy aus Marzahn keine Heidi Klum machen.“
Eine Heidi Klum wird auch die 52-Jährige, die jetzt im OP liegt, in diesem Leben nicht mehr. Fuchs malt ihr routiniert schwarze Linien über die Lider. Der Muskel wird markiert, die Schere angelegt. Sauberer Schnitt. Ganz vorsichtig entfernt Fuchs das markierte, längliche Stück Haut über den Augen. Das Blut brennt er wieder weg. Bis plötzlich ein gelber Klumpen Fett herausquillt. Wie Eiter aus einem Pickel. Haut, Muskel, Fett. Alles muss raus, bevor Fuchs die beiden Hautenden wieder zusammennäht. Ballast weg, Straffung. Für Mirko Fuchs kein Hexenwerk. „Gesunder Menschenverstand“. Präzision. „Ein schönes Gesicht ist der Spiegel der Seele.“ Eine Generalüberholung dieser Körperpartie, „Facelift“ also, dauert vier bis fünf Stunden. Die Königsdisziplin. Gängiger sind Spritzen gegen Falten und Füllungen mit Hyaluronsäure. Zwischen 30 bis 35 Kunden kommen dafür an zwei Behandlungstagen pro Woche nach Neunkirchen.
Je nach Eingriff verbringen die Patienten auch mal mehrere Nächte auf der Station im fünften Stock. Elf Zimmer, 15 Betten. Mitarbeiterin Esther zeigt die hellen Räume mit Balkon. Und plaudert aus dem Nähkästchen. Frauen ab 50 tendierten zu Augenlid-OPs oder Facelift, sagt sie. Die Brüste ließen sich eher Jüngere ab 20 machen. Mindestalter: 18 Jahre. Männer kämen häufig, um sich Botox spritzen zu lassen, sagt Esther. Die Einschätzung der 52-Jährigen: „Mittlerweile ist fast jeder Zweite gespritzt.“ Die anderen nicken. Auch die anderen glauben, dass das Aufhübschen der Schöpfung Hochkonjunktur hat. „Es ist auch kein gesellschaftliches Tabu mehr“, sagt Sascha. Kürzlich habe sich sogar eine 66-Jährige erstmals die Brust vergrößern lassen.
Fuchs wird, wie es aussieht, also nicht so schnell arbeitslos werden. Auch jetzt um die Mittagszeit ist er wieder auf dem Sprung. Die nächste OP ruft. Oberlid-Straffung bei einer Frau mit Hepatitis. Das verlangt besondere Aufmerksamkeit. Der Profi ist hellwach. Und die Patientin, wie gewohnt, unter Narkose.