Prokon will Windparks losschlagen

Itzehoe/Berlin · Trotz der Prokon-Pleite geht ein Verbot von riskanten Finanzgeschäften am Kern des Problems vorbei, sagt Markus Neumann, stellvertretender Vorstandschef der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK), im Gespräch mit SZ-Korrespondent Hagen Strauß.

Als Konsequenz aus der Prokon-Insolvenz will die Bundesregierung Kleinanleger künftig besser vor riskanten Finanzprodukten schützen. Nach einer Kabinettsklausur gestern in Meseberg kündigte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) an, Verbraucherminister Heiko Maas (SPD) und Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) würden entsprechende Vorschläge machen. "Wo es Verbrauchern schwerfällt, sich selbst zu schützen, müssen wir für mehr Transparenz sorgen", sagte Maas.

Am Prokon-Sitz in Itzehoe bei Hamburg informierte der vorläufige Insolvenz-Verwalter Dietmar Penzlin gestern die Mitarbeiter über das weitere Vorgehen. "Unser Ziel ist die Fortführung, der Erhalt und die Sicherung von Unternehmenswerten", sagte Penzlin. Und Prokon-Chef Carsten Rodbertus beteuerte: "Wir glauben, dass wir auch in einem vorläufigen Insolvenzverfahren die Fortsetzung des Unternehmens herstellen können." Die Mitarbeiter applaudierten ihm.

Nach dem Gang zum Insolvenzgericht will das Windkraft-Unternehmen nun Windparks verkaufen, um sich so Kapital zu besorgen. Es seien zwei Gespräche mit Marktteilnehmern geführt worden, sagte Rodbertus. Weitere würden folgen. "Damit werden wir auch den Nachweis erbringen, dass es stille Reserven im Unternehmen gibt, eben die Windparks." Zur Finanzierung von Windrädern hatte Prokon auf Kredite von Banken verzichtet, sich stattdessen das Geld von Kleinanlegern geholt und sogenannte Genussrechte ausgegeben. Dabei handelt es sich um kurzfristig kündbare Anlagen mit entsprechendem Ausfallrisiko. Prokon geriet wegen Kapitalkündigungen in eine Liquiditätsklemme und meldete am Mittwoch Insolvenz an.

Der Fall Prokon mit seinen rund 75 000 Anlegern ist ein besonderer: Denn es müssen noch fundamentale juristische Fragen geklärt werden. Drei Rechtsprofessoren seien mit Gutachten beauftragt, sagte der vorläufige Insolvenzverwalter. Sie sollen die Frage klären, ob gekündigte Genussrechtsanteile von Anlegern offene Forderungen gegen die Firma im Sinne des Insolvenzrechts seien. Nur dann sei Prokon überschuldet und das Amtsgericht könne das Insolvenzverfahren eröffnen. Andernfalls liege keine Überschuldung vor. Die Gutachten sollen in zwei bis drei Monaten vorliegen.

Betroffen von der Insolvenz sind 480 Mitarbeiter der Prokon Regenerative Energien GmbH, für die der Insolvenzantrag gestellt wurde. Insgesamt beschäftigt das Unternehmen rund 1300 Mitarbeiter.

Haben die Kleinanleger bei Prokon noch eine Chance, Geld zurückzubekommen?

Neumann: Das ist eine schwierige Frage. Das Problem ist, dass zurzeit kein transparentes Zahlenwerk vorliegt. Wir wissen daher nicht, in welchem Umfang es andere Gläubigergruppen gibt und was letztendlich für die Genussschein-Inhaber bleibt. Sind sie die einzigen, dann wird auch ein guter Teil des angelegten Geldes an sie zurückfließen. Es besteht also noch Hoffnung.

Muss man bei hohen Renditeversprechen nicht automatisch stutzig werden?

Neumann: Wir sagen seit Jahren nichts anderes. Wer sich im grauen Kapitalmarkt auskennt, der weiß zum Beispiel, dass zehn bis 15 Prozent der eingeworbenen Summe für Vertrieb- und Marketingprovisionen nötig sind. Bei Prokon konnte man das sehr gut sehen, flächendeckend wurde in Deutschland groß geworben, es gab viele Beratungsbüros. Acht Prozent Verzinsung muss mit Windparks dann erst einmal erwirtschaftet werden.

Aber viele Menschen haben daran geglaubt.

Neumann: Das ist richtig. Und das ist das Fatale. Das Problem ist, dass viele Kleinanleger sich einfach nicht genug mit den Investments beschäftigen, die sie tätigen. Es gibt Menschen, die haben ihr gesamtes Vermögen in Prokon-Genussscheine gesteckt. Diese Anleger dachten wirklich, das seien sichere Produkte.

Begrüßen Sie es, dass die Bundesregierung den Kleinanlegerschutz verbessern will?

Neumann: Wir befürchten eine neue Regulierungsorgie, die am Kern vorbeigeht. Man muss endlich mehr für die Anlegerbildung tun. Es sind die Fundamente, die Kleinanlegern fehlen und die vermittelt werden müssen. Es bringt doch nichts, wenn die Bafin noch einmal über ein Unternehmens-Prospekt schaut oder noch eine Regulierungsstufe einzieht.

Das dürften die jetzt Betroffenen anders sehen. Was halten Sie von einem Verbot riskanter Finanzprodukte für Kleinanleger?

Neumann: Die Bundesregierung muss klar sa gen, was sie damit meint. Der Genussschein ist eine Finanzierungsalternative. Hier gibt es durchaus seriöse Angebote, wie etwa die Bertelsmann- oder Dräger-Genussscheine. Zudem ist der Genussschein in der Regel nur ein Baustein einer Gesamtfinanzierung. Das war bei Prokon nicht so .

Worauf sollten Kleinanleger grundsätzlich achten?

Neumann: Es gibt drei Punkte, die man am Fall Prokon sehr gut festmachen kann. Erstens: Die Geschäftszahlen und die Geschäftslage müssen transparent sein. Das ist bei Prokon momentan aus Sicht der SdK nicht der Fall. Zweitens gilt, dass man nicht in irgendetwas investieren sollte, was langfristige Vermögenswerte wie zum Beispiel Windparks kurzfristig finanziert. Erhebliche Liquiditätsprobleme können dann die Folge sein. Und der letzte Punkt ist: Kaufe nichts, was du nicht verstehst.

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