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Die „Süddeutsche Zeitung“ kommentiert die Lage in der Türkei nach dem Gerichtsentscheid zu der der Journalistin Tolu:

Das Vertrauen in die Justiz ist beschädigt, und Terrorprozesse wie der gegen Mesale Tolu tragen nicht dazu bei, es wiederherzustellen. Und dann sind da auch noch die anderen Deutschen, die aus politischen Gründen in Haft sind oder nicht ausreisen dürfen. Deniz Yücel wartet seit mehr als 300 Tagen auf eine formale Anklage, und noch immer ist nicht klar, welche Richtung sein Fall nehmen wird. Darf er auf Freilassung hoffen? Bleibt er in Haft, als Faustpfand Ankaras? Yücel selbst hat stets nur eines gefordert: ein faires, rechtsstaatliches Verfahren. Je zügiger, desto besser.

Die „Frankfurter Allgemeine“ warnt vor Euphorie nach der Freilassung:

Da die türkische Justiz nicht mehr als unabhängig zu betrachten ist, mag hinter Tolus Freilassung der politische Versuch stecken, das Verhältnis zu Deutschland ein wenig zu entkrampfen. Darauf sollte sich in Berlin jedoch niemand einlassen. Die Türkei ist so weit vom Weg abgekommen, dass eine Normalisierung der Beziehungen selbst dann nicht möglich wäre, wenn alle Deutschen, die dort aus politischen Gründen im Gefängnis sitzen, wieder auf freien Fuß kämen. Erdogan verwandelt sein Land in eine Autokratie, hat die Bundeswehr aus einem Stützpunkt vertrieben, hetzt die Türken in Deutschland auf, pflegt eine antiwestliche Rhetorik – wer sich so benimmt, ist kein Verbündeter mehr.

Die „Berliner Zeitung“ schreibt zur Bedeutung der neuen österreichischen Regierung für Deutschland:

Es bedarf keiner prophetischen Gaben, um vorherzusagen, dass es bald auch in Deutschland Bündnisse mit der AfD geben wird. Auch die SPD, in deren Stammwählerschaft die AfD ebenfalls wildert, verändert ihren Diskurs spürbar, will konservative Schlagwörter wie Heimat und Leitkultur positiv besetzen. Dabei zeigt der Blick nach Österreich, wie trügerisch die Hoffnung ist, Rechtspopulisten zu schwächen, indem man ihnen nacheifert. Gestärkt wird dadurch nur das Original, nicht die Kopie.

Lob für den neuen Kanzler von Österreich gibt es dagegen von der Wiener Zeitung „Der Standard“:

Dass Kurz so rasch die EU-Partner einbindet und konsultiert, ihnen garantiert, dass Österreich selbstverständlich alle EU-Verträge und -Regeln einhalten wird, ein zuverlässiger Integrationspartner bleiben wird, ist nicht nur kein Fehler. Es ist nach den bitteren Erfahrungen mit den sogenannten „EU-Sanktionen“ gegen Schwarz-Blau im Jahr 2000 auch heilsam. Er zeigt damit „Wir sind EU“ und nicht „Mia san mia!“ – in Wien und in Brüssel.“

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