ANZEIGE Giordano Bruno Stiftung Das Versagen des Deutschen Ethikrates / Kritik an der Überrepräsentanz kirchlicher Interessen

Berlin/Oberwesel (ots) · "Der Deutsche Ethikrat sollte rational, evidenzbasiert und weltanschaulich neutral argumentieren, was aber durch die Überrepräsentanz kirchlicher Interessenvertreter allzu oft verhindert wird", kritisiert der Philosoph und Vorstandssprecher der Giordano-Bruno-Stiftung Michael Schmidt-Salomon.

Die am 30. April erfolgte Neubesetzung des Gremiums habe dieses Problem keineswegs behoben, sondern eher noch verschärft.

"Dass sich die Mehrheit der Mitglieder des Deutschen Ethikrates gegen Selbstbestimmungsrechte am Lebensende aussprachen und für ein Gesetz votierten, das per einstimmigen Beschluss der Karlsruher Richter (https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2020/02/rs20200226_2bvr234715.html) für verfassungswidrig erklärt wurde, ist ein Skandal, der noch nicht hinreichend thematisiert wurde", meint Schmidt-Salomon, der bei der mündlichen Verhandlung des Bundesverfassungsgerichts als "Sachverständiger Dritter" für die später erfolgte Aufhebung des § 217 StGB plädiert hatte (https://www.giordano-bruno-stiftung.de/217-stgb-dient-nicht-lebensschutz-sondern-lebensschuetzern). "Die Unterstützung eines verfassungswidrigen Gesetzes ist nur eines von vielen Indizien dafür, dass der Deutsche Ethikrat in seiner Funktion immer wieder versagt. Interessanterweise kommt es dazu vor allem dann, wenn religiöse Interessen im Spiel sind, wie auch die Debatten zur Knabenbeschneidung oder Präimplantationsdiagnostik gezeigt haben. In einem gewissen Ausmaß kann man solche Defizite tolerieren, aber: Wenn sich - wie im Fall der Sterbehilfe-Diskussion - herausstellt, dass die Mitglieder des wichtigsten Ethikrates des Landes mehrheitlich nicht in der Lage sind, auf dem ethischen Niveau des deutschen Grundgesetzes zu argumentieren, ist dies keine Lappalie, die man auf die leichte Schulter nehmen könnte."

Nach der deutlichen Rüge aus Karlsruhe hätte man eigentlich eine Umorientierung in der inhaltlichen Ausrichtung sowie der personellen Zusammensetzung des Ethikrates erwarten dürfen, doch die am 30. April erfolgte Neubesetzung des Gremiums (https://www.ethikrat.org/mitteilungen/2020/bundestagspraesident-wolfgang-schaeuble-beruft-mitglieder-des-deutschen-ethikrates/) weise in eine andere Richtung, führt Schmidt-Salomon aus: "Durch die Neubesetzung ist der Rat nicht pluraler, liberaler oder kompetenter geworden. Immerhin gab es 2017 neun Ethikratsmitglieder, die sich in einem Minderheitsvotum für eine Stärkung der Selbstbestimmungsrechte am Lebensende ausgesprochen hatten (https://www.ethikrat.org/fileadmin/Publikationen/Ad-hoc-Empfehlungen/deutsch/empfehlung-suizidpraevention-statt-suizidunterstuetzung.pdf). Von diesen liberalen Dissidenten sind nun zwei Drittel, also sechs Personen, nicht mehr im aktuellen Ethikrat vertreten. Bei den neu hinzugekommenen Mitgliedern des Rates sind Personen mit religiös-konservativen Werthaltungen überproportional stark vertreten - Menschen, von denen man leider annehmen muss, dass sie 2017 ebenfalls für ein verfassungswidriges Gesetz votiert hätten."

Die Besetzung des Deutschen Ethikrates ist nicht repräsentativ

Nehme man die aktuellen Mitglieder des Ethikrats unter die Lupe, falle eine "gravierende weltanschauliche Schieflage" auf, so Schmidt-Salomon: "Unter den 24 Mitgliedern des Deutschen Ethikrats hat knapp die Hälfte einen eindeutig religiösen Hintergrund. Neun Mitglieder, überwiegend Theologinnen und Theologen, bekleiden Funktionen innerhalb der christlichen Kirchen oder deren Wohlfahrtsverbände, zwei weitere vertreten den Islam oder das Judentum, nur ein einziges Mitglied des aktuellen Ethikrats, nämlich der Philosoph Julian Nida-Rümelin, hat sich in der Vergangenheit wahrnehmbar für die Interessen konfessionsfreier Menschen eingesetzt." Hinzu komme, so Schmidt-Salomon, dass es weitere Ethikratsmitglieder gebe, "die zwar keine offiziellen Kirchenfunktionen wahrnehmen, aber doch entschieden für kirchliche Positionen eintreten". Ein Beispiel hierfür sei der Jurist Steffen Augsberg, der die Anliegen radikaler "Lebensschützer" mit entsprechenden Analysen untermaure (siehe etwa diesen Beitrag in der "Zeitschrift für Lebensrecht" (https://zfl-online.de/media/zfl_2014_4_73-104.pdf)) und der "rhetorisch äußerst geschickt für ein Verbot professioneller Freitodbegleitungen gestritten" habe - sowohl als Mitglied des Deutschen Ethikrates als auch als Prozessbevollmächtigter der Bundesregierung in dem Verfahren zu § 217 StGB vor dem Bundesverfassungsgericht.

Schmidt-Salomons Fazit: "Insgesamt muss man feststellen, dass der Deutsche Ethikrat in seiner aktuellen Zusammensetzung nicht repräsentativ für die Wertehaltungen der deutschen Bevölkerung ist (siehe hierzu auch die zahlreichen referierten Studien auf der Website der "Forschungsgruppe Weltanschauungen in Deutschland" (https://fowid.de/)). Er spiegelt weder die Überzeugungen der konfessionsfreien Menschen wieder, die immerhin 38 Prozent der deutschen Bevölkerung stellen, noch die Überzeugungen der nominellen Kirchenmitglieder, die in ethischen Fragen von den amtskirchlichen Vorgaben mehrheitlich abweichen." Hinzu kommt für den Stiftungssprecher noch ein zweites Problem: "Bedauerlicherweise repräsentiert der Deutsche Ethikrat summa summarum auch nicht das Niveau der akademischen Debatte auf dem Gebiet der Praktischen Ethik. Zwar gibt es Ethikratsmitglieder, die sehr wohl auf der Höhe des universitären Diskurses argumentieren, aber sie bilden in dem Gremium eher eine Minderheit. Hier rächt sich, dass für die Berufung in den Ethikrat die Übereinstimmung mit parteipolitischen Präferenzen größere Bedeutung hat als die fachliche Qualifikation der jeweiligen Kandidatinnen und Kandidaten."

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Pressekontakt:

Elke Held / Dr. Dr. Michael Schmidt-Salomon, https://www.giordano-bruno-stiftung.de/content/pressekontakt

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